Inselglück
und in New Mexico lebt.«
»Ist das kein Einbruch?«, fragte Meredith.
»Wir haben einen Schlüssel!«, beruhigte Dan sie und trat ein.
Connie war noch nie in einem Leuchtturm gewesen, aber dieser hier entsprach dem, was sie erwartet hatte. Er war dunkel und schmuddelig, besaß einen sandigen Betonfußboden und roch wie ein Kartoffelkeller. In der Mitte des Raums befand sich eine schmiedeeiserne Wendeltreppe, die Dan jetzt hinaufzuklettern begann. Connie folgte ihm und dachte: Ich bin mit dem einzigen Mann auf Nantucket befreundet, der einen Schlüssel zum Leuchtturm von Great Point hat. Meredith war hinter Connie, und Toby bildete die Nachhut. Connie passte auf, wo sie hintrat; das einzige Licht fiel in staubverhangenen Strahlen von oben herein.
Am oberen Ende der Treppe war eine Plattform mit Fenstern und einem Kasten, der ein solarbetriebenes Leuchtfeuer enthielt.
Toby war beeindruckt. »Wann wurde der Turm erbaut?«
»Ursprünglich 1785«, sagte Dan. »1986 rekonstruiert.«
Ein schmaler Balkon zog sich um die Turmspitze. Connie und Meredith gingen hinaus und umrundeten sie. Connie konnte über den Nantucket Sound bis zum Cape Cod sehen. Nach Süden hin breitete sich die Insel vor ihnen aus wie eine Decke – mit Häusern und Bäumen und Binnengewässern, mit Sanddünen und Feldwegen. Connie kam jetzt seit zwanzig Jahren hierher, doch heute war vielleicht der erste Tag, an dem sie Nantucket wirklich sah.
Wieder unten angekommen, holten sie ihre Sachen aus dem Jeep und stellten Klappstühle auf.
»Es ist atemberaubend hier«, sagte Connie. »Findest du nicht, Meredith?«
»Mmmhmmm«, gab Meredith zurück.
Dan machte sich ein Bier auf. »Möchte jemand was zu trinken?«
Toby hielt eine Hand hoch. »Erst mal nicht, danke.«
»Wie steht’s mit Ihnen, Meredith?«
»Ich möchte nichts.«
»Connie, kann ich dir ein Glas Wein einschenken?«, fragte Dan.
»Ich habe Eistee mitgebracht«, sagte sie.
»Wirklich? Du willst keinen Wein?«
»Wirklich.« Connie setzte den breitkrempigen Strohhut auf, den sie sich gekauft hatte, um ihr Gesicht vor der Sonne zu schützen, aber eigentlich nie trug. Es wurde Zeit, dass sie auf sich achtete. Einen Hut trug, den Chardonnay zu Hause ließ. »Ich nehme einen Eistee.«
»Okay.« Dan klang überrascht.
»Meredith, hast du Lust auf einen Spaziergang?«, fragte Toby.
»Connie, hast du Lust auf einen Spaziergang?«, fragte Meredith.
»Jetzt noch nicht«, sagte Connie. »Geht ihr beide.«
Meredith rührte sich nicht. »Ich warte auf Connie.«
Mit einer sehr erwachsenen, sehr ernsten Stimme, die Connie, soweit sie sich erinnerte, noch nie an ihm gehört hatte, sagte Toby: »Meredith, komm mit mir spazieren. Bitte.«
Meredith saß da, reglos wie ein Stein. »Nein.«
Wird das ein absolut katastrophaler Tag?, dachte Connie.
Toby entfernte sich schweigend. Connie sah ihm nach. Ein paar Sekunden später stand auch Meredith auf, und Connie dachte: Gott sei Dank, aber Meredith ging in die andere Richtung.
Dan setzte sich neben Connie auf einen Stuhl. Auf seinem Schoß lag ein Exemplar von Drachenläufer. »Und, darf ich fragen, was da zwischen den beiden läuft?«
»Oh Gott«, sagte Connie. »Ich habe keine Ahnung.«
»Du hast keine Ahnung?«
Als Connie Dan anschaute, war sie ganz überwältigt davon, wie wenig sie ihn kannte – und er sie. Wie geschah es, dass man jemanden kennen lernte? Es brauchte Zeit. Es brauchte gemeinsam verbrachte Tage, Wochen, Monate. Der Gedanke an all die Mühe, die es kosten würde, dass sie Dan kennen lernte und er sie, erschöpfte sie plötzlich. Warum hatte sie nicht einfach Wein mitgebracht? Alles war so viel leichter mit Wein.
»Meredith und Toby waren in der Highschool ein Paar«, sagte sie.
»Ah«, sagte Dan, als ob das alles erklärte. Aber wie sollte er die Geschichte verstehen?
»Sie waren wahnsinnig verliebt. Es war irritierend.«
Dan lachte. »Irritierend?«
»Na ja, weißt du, er war mein Bruder und sie meine beste Freundin … «
»Du fühlest dich ausgeschlossen?«
»Ja, irgendwie schon. Anfangs hat es mich total genervt. Ich hätte es beinahe hintertrieben – dazu hätte ich die Macht gehabt, glaube ich, zumindest bei Meredith. Aber dann gewöhnte ich mich an die Vorstellung, und ich hatte ja auch immer einen Freund … «
»Das erstaunt mich nicht«, sagte Dan.
»Und so haben wir uns oft zu viert verabredet. Wir gingen zusammen ins Kino und zu Tanzfeten an der Radnor, an der Toby war. Wir gingen Rollschuhlaufen.«
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