Inselglück
an Wolf gewesen war, nicht darin zu schlafen.
Connie zog sich ein Daunenkissen auf die Brust, während ihr Erinnerungen an den gestrigen Abend kamen. Sie hatte mit Dan Flynn Händchen gehalten, und allein das hatte sich schon sündhaft gut angefühlt. Ihr Leben lang hatte sie einen Freund oder Mann gehabt, in der Highschool und am College einen gegen den anderen ausgetauscht. Bis zu Wolfs Tod war sie keine fünf Minuten allein gewesen, wurde ihr klar. Dass sie so lange ohne männliche Aufmerksamkeit überlebt hatte, erstaunte sie so sehr, als hätte sie ohne warmes Essen oder gute Bücher auskommen müssen. Im Club Car hatte Dan seinen Mund auf ihren Nacken gelegt, und in ihr hatte sich etwas geregt, als wäre sie von den Toten auferstanden. Sie hatte die Kälte abschütteln müssen, und das war ihr gelungen; jetzt erwärmte sie sich! Wie lange war es her, dass sie einen Gedanken an ihre Physis verschwendet hatte? In Gegenwart von Dan wollte sie nur noch Körper sein.
Sobald sie zu Hause gewesen waren, war Meredith die Treppe hinaufgestolpert, und Dan und Connie waren in die Küche gegangen, vorgeblich auf einen Schlummertrunk, aber dann bat Dan sie nur um Wasser. An Wasser konnte Connie sich jedoch nicht erinnern, dafür an innige, sanfte Küsse, die sie in den siebenten Himmel beförderten.
Und Dan, der Gentleman, hatte es beim Küssen belassen. Connie hatte geweint, fiel ihr jetzt ein, als sie Dan erzählte, dass sie seit Wolfs Tod keinen Mann geküsst hatte. Sie hatte geglaubt, mit dem Küssen sei es ein für allemal vorbei. Dan äußerte sich nicht entsprechend. Er sagte nicht, Connie sei die erste Frau, die er nach Nicoles Tod geküsst habe, was wahrscheinlich bedeutete, dass er das Bluten seines Herzens mit den freundlichen Angeboten anderer Frauen gestillt hatte. Vermutlich hatte er mit einer Frau aus Nicoles Yogakurs Sex gehabt, als sie ihm einen Reisauflauf brachte, oder sich von der einundzwanzigjährigen Nanny der Kinder verführen lassen. Männer waren anders gestrickt. Wäre Connie gestorben, hätte Wolf niemals zweieinhalb Jahre lang auf dem Sofa geschlafen. Er wäre bereits wieder verheiratet, mit einer jüngeren, glatteren, unreiferen Version von Connie. Dessen war sie sich sicher.
Connie stürzte das Wasser hinunter und schlüpfte aus dem Bett. Sie würde es nicht machen; sein zerwühltes Aussehen gefiel ihr. Endlich sah das Schlafzimmer wieder bewohnt aus.
Sie putzte sich die Zähne, wusch sich das Gesicht, inspizierte ihre Haut im Spiegel. Sie war immer noch hübsch. Ein großes Hurra! Sie war stets hübsch gewesen, doch heute Morgen war sie besonders dankbar dafür. Dan Flynn hatte sie geküsst. Weiter war er nicht gegangen – vielleicht, weil er es langsam angehen lassen wollte, vielleicht aber auch, weil heute Montag war und er um acht Uhr einen Termin am Pocomo Point hatte.
Ja, das war der Grund. Er hatte ihn ihr genannt.
Es war Montag.
Connie rang nach Luft. Oh mein Gott, oh mein Gott, oh mein Gott … sie mochte es gar nicht aussprechen. Die Erkenntnis, die ihr kam, war so glitschig wie ein nasser Fisch, so dass sie ihr sofort wieder entglitt, hin und her flutschte, auf und ab schnellte, bevor sie mit einem fetten, hässlichen stinkenden Platschen auf dem Boden ihres Gedächtnisses landete.
Sie hatte Ashlyn nicht angerufen. Gestern war Sonntag gewesen, und sie hatte nicht bei ihr angerufen.
Connie schaute sich mit weit aufgerissenen Augen im Spiegel an. Ihre Wimpern waren noch verklebt von Mascara. Sie hatte sich mit einem Mann getroffen, hatte diesen Mann geküsst, hatte seit zweieinhalb Jahren zum ersten Mal wieder in ihrem Bett geschlafen. Das war bemerkenswert, eigentlich sogar sensationell.
Doch diese Entwicklung wurde davon überschattet, dass sie vergessen hatte, ihre Tochter anzurufen.
Nachdem sich die erste Panik gelegt hatte, dachte Connie: Ob es Ashlyn wohl aufgefallen ist? Und wenn ja, hat es ihr etwas ausgemacht?
Zehn Tage nach Wolfs Beisetzung, an dem Tag, an dem sie seinen Nachlass geregelt und im Büro ihres Anwalts in Georgetown seine Konten gesichtet hatten, hatte Connie zum letzten Mal mit ihrer Tochter geredet. Ashlyn hatte ein aus Aktien und Bundesanleihen bestehendes Treuhandvermögen geerbt, das Wolf seit Jahren für sie angesammelt hatte, so dass es mittlerweile zwischen sechs- und siebenhunderttausend Dollar wert war, sowie Wolfs marineblaues Aston-Martin-Cabrio. Es war ihr gelungen, ihre kochende Wut und Verbitterung zu bändigen, bis sie das Geld in
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