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Inselglück

Inselglück

Titel: Inselglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hilderbrand
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durchgedreht. Sie war eben zu Freddy gezogen, gegen die Wünsche ihrer Mutter (der es nicht gefiel, wie es »aussah«, wenn die beiden einfach so zusammenlebten). Im September würde sie ihren Lehrerjob antreten. Was sollte sie tun, wenn Freddy nach Hongkong ging?
    Sie würde auch dorthin ziehen.
    Sie hatte mit ihm nach Hongkong fliegen wollen – sie konnte den Scheck von ihrer Mutter dafür verwenden – , doch das schlug Freddy ihr ab. Er müsse arbeiten und in dieser Zeit allein sein. Freundinnen seien nicht willkommen.
    »Woher weißt du das?«, hatte Meredith gefragt. »Hast du dich erkundigt?«
    »Ich weiß es einfach.«
    Meredith verbrachte zwei Wochen in der heißen, schmutzigen, grässlichen City, während Freddy in Hongkong war. Connie rief an und lud Meredith nach Nantucket ein. Sie war seit kurzem mit einem Mann namens Wolf Flute zusammen, dessen Familie ein Cottage am Strand hatte. Es sei schlicht, habe aber vier Schlafzimmer. Meredith könne eine Woche bleiben oder länger.
    Meredith lehnte ab.
    Sie verschanzte sich in der Wohnung, sie bestellte sich Essen vom Chinesen, sie las in dem Schaukelstuhl aus hellem Holz Bücher (Sofies Welt; Goodbye, Columbus), sie sehnte sich nach Freddy. Freddy rief dreimal an, doch die Verbindung war schlecht. Meredith hörte die Wörter Victoria Peak, Hollywood Road, Peninsula Hotel. Sie hörte die freudige Erregung in seiner Stimme. Einer seiner Kollegen hatte Freddy auf einer Dschunke zu einer Insel mitgenommen, wo sie in einem Fischrestaurant gewesen waren und sich die Fische aus dem Becken ausgesucht hatten. Zwanzig Minuten später lagen sie gebraten, garniert und mit Sauce beträufelt vor ihnen. An einem Ort wie Hongkong war Freddy noch nie gewesen. Bevor er Meredith kennen lernte, war er niemals gereist.
    Meredith kam zu dem Schluss, dass sie Freddy hasste. Er würde sie verlassen, wie Toby sie verlassen hatte, aber das ließ sie sich nicht gefallen. Sie würde ihm zuvorkommen. Als das Telefon das nächste Mal klingelte und Meredith vermutete, dass er es sei, nahm sie nicht ab. Das Läuten hörte auf und fing dann wieder an. Meredith lächelte rachsüchtig, ohne abzuheben. Zum ersten Mal seit Tagen würde sie einen Spaziergang machen und sich dann in dem belgischen Lokal moules et frites gönnen. Als sie das Apartment verließ, klingelte das Telefon noch immer.
    Meredith beruhigte sich und geriet, als sie wieder zu Hause war, erneut in Rage. Sie schrie die Figur namens Otto an und warf mit einem der scharfen dänischen Messer nach ihr. Mit Seife schrieb sie Fuck you auf den Badezimmerspiegel. Diese Nachricht würde Freddy bei seiner Heimkehr vorfinden, nur sie würde nicht da sein, um seine Reaktion mitzuerleben. Sie würde doch nach Nantucket fahren, Connie besuchen. Connie hatte ihr von einer Party erzählt, die Madequecham Jam genannt wurde – Hunderte Menschen, die am Strand feierten! Meredith müsse nur einen Bikini mitbringen.
    Meredith packte eine Tasche. Sie würde den Chinatown-Bus bis Boston nehmen, dort nach Hyannis umsteigen und dann nach zwei Stunden mit der Fähre auf Nantucket sein. Die Reise war länger, als Meredith gedacht hatte; der bloße Gedanke daran erschöpfte sie, doch zumindest würde sie nicht in der Wohnung herumsitzen und auf Freddy warten.
    Sie war schon fast an der Tür, um zu gehen, als es klopfte. Sie spähte durch das Guckloch. Es war jemand von Western Union mit einem Telegramm.
    »Meredith Martin?«, fragte der Mann.
    Mit zitternden Händen nahm sie das Telegramm entgegen. Sie hatte noch nie eins bekommen. Die Einzigen, die, soweit sie wusste, Telegramme erhielten, waren Mütter, deren Söhne in Vietnam gefallen waren. Was also würde in diesem stehen? Dass Freddy gestorben war? Dass ihn beim Überqueren der Straße ein Bus überfahren hatte? Oder vielleicht war es ein Telegramm von Freddy, in dem er ihr mitteilte, dass er nicht zurückkam, dass er auf Dauer nach Hongkong versetzt worden war, und Meredith bat, ihm seine Sachen zu schicken. Womöglich hatte er das auch telefonisch mit ihr besprechen wollen, aber sie hatte ja nie abgenommen.
    Was immer in dem Telegramm stehen mochte, es konnte nichts Gutes sein.
    Sie erwog, es einfach in der Wohnung liegen zu lassen. Doch wer besaß schon die Willenskraft, einen solchen Umschlag – ein Telegramm, das per se Dringlichkeit bedeutete – nicht zu öffnen?
    Also öffnete sie es.
    MEREDITH STOP ICH KANN NICHT OHNE DICH LEBEN STOP WILLST DU MICH HEIRATEN ? STOP
    FREDDY
    Sie las es noch

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