Inselglück
funkelte ihn an. »Du machst ja wohl Witze! «
»An der Bar«, fügte er hinzu. »Damit wir reden können.«
»Worüber?«, fragte sie. Aber Toby antwortete nicht. Er drückte sie nur noch fester an sich und summte wieder. The best of times are when I’m alone with you.
Meredith hatte große Lust, von der Tanzfläche zu stürmen, doch sie konnte hier keine Szene machen; Connies Hochzeit war so schon skandalumwittert genug. Also führte sie den Tanz mit Toby zu Ende. Die schreckliche Wahrheit war, dass sie immer noch etwas für ihn empfand; die schreckliche Wahrheit war, dass er tatsächlich den größten und besten Teil ihres Herzens besaß; die schreckliche Wahrheit war, dass sich seine Umarmung elektrisierend anfühlte. Aber würde sie sich mit ihm im Wayne Hotel treffen? Meredith zögerte. Eine Sekunde, zwei Sekunden, zehn Sekunden. Dann dachte sie: Auf keinen Fall. Ich gehe nicht. Sie kehrte zu ihrem Platz zurück, und Wolfs Bruder Jake forderte sie zum nächsten Tanz auf. Meredith sah, wie Toby und Pamela an der Bar Tequilas kippten.
Ich muss nach New York, dachte sie. Ich muss zu Freddy.
Meredith und Freddy heirateten im Juni darauf in der Saint Thomas Church in Villanova, derselben Kirche, wo der Trauergottesdienst für Chick Martin stattgefunden hatte. Hundertfünfzig Gäste waren anwesend, und wenn Meredith eines negativ aufgefallen war, dann die Tatsache, dass die Kirche leer wirkte im Vergleich zu der Menschenmenge, die sie bevölkert hatte, um ihrem Vater die letzte Ehre zu erweisen.
Connie fungierte als Merediths Trauzeugin, obwohl Ashlyn im April zur Welt gekommen war und Connie sie noch stillte. Bill und Veronica O’Brien waren auch da, Toby dagegen hatte abgesagt. Es hatte von Meredith viel Mut erfordert, ihn einzuladen, aber nach dem, was bei Connies Hochzeit passiert war, hielt sie es für eine gute Idee, wenn Toby zusah, wie sie einen anderen heiratete. Sicher war sie nicht die einzige Braut, die so empfand. Toby schickte einen kurzen Brief: »Gehe auf Segeltörn in den Kleinen Antillen! Die besten Wünsche für dich!« Meredith war enttäuscht, doch sie wusste, dass er sich wahrscheinlich auch nicht hätte blicken lassen, wenn er vor Ort gewesen wäre.
Annabeth Martin kam im Rollstuhl. Merediths Mutter kümmerte sich den Großteil des Abends um sie, und beide strahlten vor Glück. Alles war, wie es sein sollte; Meredith heiratete gleich nach dem College – ebenso, wie sie es getan hatte – einen Mann, der es zu etwas bringen würde.
Freddys Mutter kam zur Trauung, blieb jedoch nicht zu der Feier. Sie behauptete, sie müsse noch am Abend zurück nach Utica, damit sie am nächsten Morgen zur Arbeit könne.
»Arbeit?«, fragte Meredith. »Am Sonntag?«
»Im Supermarkt«, erklärte Freddy.
Meredith hatte Mrs Delinn erst heute kennen gelernt. Sie war mollig, und ihr Teint wies das bläuliche Weiß eines gekochten Eis auf. Ihre Haare waren schütter und kirschrot gefärbt, allerdings schlecht. Sie hatte wässrig blaue Augen, denen das intensive Kobaltpigment von Freddys Augen fehlte. Meredith fand, dass Mrs Delinn insgesamt erschöpft und ausgelaugt wirkte, als hätte die Anstrengung, es bis zu diesem Moment in ihrem Leben zu schaffen, sie fast umgebracht. Sie behandelte Meredith seltsam ehrerbietig und bedankte sich immer wieder für die Einladung.
»Das ist doch selbstverständlich«, sagte Meredith. »Sie sind Freddys Mutter.«
»Sie werden auf ihn aufpassen«, sagte Mrs Delinn. Das war eine Feststellung, keine Frage. »Sie werden ihn lieb haben. Er wird so tun, als käme er ohne sie aus, aber Freddy braucht seine Liebe.«
Meredith ging allein den Mittelgang entlang. Sie spürte die Abwesenheit ihres Vaters; ihre ganze linke Seite war taub. Alle in der Kirche strahlten sie an. Sie freute sich, dass sie da waren, doch die einzige Person, die zählte, war der Mann am Altar, dessen Augen blitzten und dessen Gesicht Verheißung ausstrahlte. Als sie ungefähr zehn Schritte von ihm entfernt war, kam er auf sie zu, nahm ihren Arm und begleitete sie den Rest des Weges. Die Menschenmenge rang zuerst nach Luft, dann hörte man ein entzücktes »Ahhh!«.
Freddy beugte sich zu ihr und flüsterte: »Du warst so allein.«
»Jetzt bin ich es nicht mehr«, entgegnete sie.
»Und wirst es nie wieder sein«, sagte er.
Meredith stellte ihren Kuchenteller ab. Der Schmerz in ihrem Herzen war nicht zu beschreiben.
Obwohl müde und in so mancher Hinsicht abgekämpft, war sie immer noch sie selbst,
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