Inselkönig
Polizei«, sagte die junge
Frau.
»Das kümmert mich einen feuchten Kehricht …« Er schlug
mit der flachen Hand auf das Telefon. »Das war eben auch die Polizei. Thomsen.«
»Es geht um den Tod von Herrn Nommensen.«
»Muss das jetzt sein?«
»Sind Sie der Herr Thönnissen, der in Oevenum
wohnt? Hat Frederiksen senior den Radlader gestern bei Ihnen abgestellt?«
»Ist das jetzt wichtig? Ich muss sehen, dass wir die
beschissenen Straßen frei kriegen.«
»Wir ermitteln in einem Mordfall.«
Für einen kurzen Moment verharrte Thönnissen reglos.
»Hat mir Ingwer schon erzählt. Ja, der Schwachkopf hat mir den Radlader vors
Haus gestellt.«
»Haben Sie den Koffer aus dem Fahrzeug geholt?«
Erneut meldete sich das Telefon. »Sind jetzt alle
bescheuert? Nein, Hermann. Dich mein ich nicht«, bellte Thönnissen in den
Apparat. Während er dem Anrufer lauschte, hielt er die Sprechmuschel mit der
Hand zu. »Ich habe keinen Scheißkoffer. Und weiß auch nichts davon.« Dann nahm
er die Hand vom Hörer und sagte: »Das ist mir schnurzegal. Du kannst fluchen
wie sonst was, Hermann. Aber ihr seid noch nicht dran. Was heißt hier, die
Milch muss vom Hof? Sauft euren Mist doch allein.«
Er wedelte mit seiner Hand, als würde er ein lästiges
Insekt abweisen. »Kommt wieder, wenn der Dreck vorbei ist. Dann können wir
miteinander schnacken. Jetzt habe ich keinen Kopf dafür.« Erneut wurde er durch
das Telefon abgelenkt.
Christoph sah ein, dass mit Thönnissen kein Gespräch
zu führen war, während ihn Große Jäger am Ärmel zupfte und auf einen anderen
Mann aufmerksam machte, der in einer Ecke saß, sich förmlich hinter einem
Aktenstapel zu verstecken schien und vorsichtig über den Rand seines
Bildschirms lugte.
»Können Sie uns ein paar Fragen beantworten?« Große
Jäger schlängelte sich zwischen den Schreibtischen zum Arbeitsplatz des Mannes.
»Wie heißen Sie?«
Er zögerte mit der Antwort, bis er sich schließlich
vorstellte. »Bengt Frederiksen.«
Christoph war genauso verblüfft wie Große Jäger, dem
er die Überraschung anmerkte. »Sie sind der Schwiegersohn?«
Der junge Frederiksen antwortete nicht.
Große Jäger angelte sich einen freien Bürostuhl und
setzte sich unaufgefordert auf die andere Seite des Schreibtisches. Christoph
folgte seinem Beispiel, nachdem sie nicht aufgefordert worden waren, Platz zu
nehmen.
»Sie versuchen, sich einen Überblick zu verschaffen?«,
riet Christoph.
»Ich sehe mir die Unterlagen an.«
»Ich gehe davon aus, dass Sie als Familienangehöriger
in die Interna eingeweiht waren.«
»Bedingt«, wich Frederiksen aus. »Ich habe mich um
bestimmte kaufmännische Fragestellungen gekümmert.«
»Waren Sie der Vertraute Ihres Schwiegervaters?«
Der junge Mann vermied es zu antworten.
Große Jäger versuchte, über Kopf etwas zu erkennen,
als es ihm nicht gelang, drehte er, ohne zu fragen, einen Stapel mit
Kontoauszügen um. »Nicht schlecht. Unter aktuellen Liquiditätsproblemen scheint
der Betrieb nicht zu leiden.«
»Das Unternehmen«, korrigierte ihn Bengt Frederiksen.
»Ein Unternehmen und ein Betrieb unterscheiden sich dadurch, dass …«
»Sie müssen mir jetzt keine Vorlesungen halten«,
unterbrach ihn Große Jäger. »Verstehen Sie etwas davon?«
Frederiksen nickte. »Ich habe Betriebswirtschaft
studiert. In Kiel und in Mannheim.«
»Mannheim?«
»Dort befindet sich eine der renommiertesten
wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten.«
»Donnerwetter.« Große Jäger blies die Wangen auf und
stieß die Luft mit einem »Puh« aus. »Wie finanziert man so etwas, wenn der
eigene Vater insolvent ist?«
Nachdem er keine Antwort erhielt, hakte er noch einmal
nach. »Hat der begüterte Schwiegervater nachgeholfen?«
Erneut nickte der junge Mann.
»Dann sind Sie vermutlich der Erste, den wir treffen,
der ihm dankbar ist.«
Zornesröte überzog Frederiksens Gesicht. Er presste
die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen.
»Offensichtlich gehören Sie auch zur Fraktion derer,
die dem Inselkönig nicht wohlgesonnen waren. Dabei dachte ich, Sie wären der
Thronfolger. Insbesondere, nachdem Ihre Frau sich dafür starkgemacht hat. Das
wäre eine lukrative Aufgabe.«
»Mein Schwiegervater war uneingeschränkter
Alleinherrscher. Er hat niemanden neben sich geduldet.« Bengt Frederiksen fuhr,
wie um das zu unterstreichen, mit beiden Händen über die vor ihm liegenden
Papierberge. »Keiner weiß, wie der aktuelle Stand ist. Dazu fehlen uns wichtige
Unterlagen, die
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