Inselkönig
akzeptiert.
Er war der Familienpatriarch.«
»Sie haben nicht unter ihm gelitten? Schließlich hat
er Ihnen trotz der Familienbande keine herausragende Position in seinem
Unternehmen eingeräumt.«
»Nein«, erwiderte Frederiksen mit Nachdruck.
»Warum lügst du, Bengt?«, mischte sich Inga Matzen von
hinten überraschend ein. Ihre Stimme war tränenerstickt. »Ihr alle seid scheinheilig.«
Sie zeigte mit ausgestrecktem Finger auf Frederiksen. »Gerade du. Ihr alle habt
ihn gehasst. Alle!«
»Das stimmt nicht, Inga. Du bist erregt«, versuchte
sie der junge Mann zu besänftigen.
»Alle«, bekräftigte sie. »Jeder hat ihm den Tod
gewünscht.«
»Inga! Du redest Unfug.«
»Sag es doch der Polizei. Thies hat nichts von dir
gehalten. In seinen Augen warst du ein Versager.«
Bengt Frederiksen war aufgesprungen. »Nur weil er dich
gevögelt hat, gibt es dir noch nicht das Recht, so viel Bösartiges über uns zu
verbreiten. Deine Verbitterung ist unangemessen. Du vergisst, dass er hinter
jedem Rock auf der Insel her war.«
»Das stimmt nicht.« Sie schluchzte unentwegt, während
ihr die Tränen in Strömen über das Gesicht liefen. »Wir haben uns geliebt,
Bengt. Das weißt du.«
Frederiksen machte eine abwertende Handbewegung.
»Geliebt.« Verächtlicher konnte man dieses Wort kaum aussprechen. Er spie es
Inga Matzen förmlich entgegen. »Thies Nommensen hat niemals jemanden geliebt.
Er hat immer nur seinen Vorteil gesucht. Du warst nichts anderes als eine
Matratze für ihn.«
Hastig sprang die Frau auf, ignorierte, dass sie dabei
ihren Bürostuhl umriss, und lief hinaus.
Selbst der so emsig tätige Thönnissen hielt inne und
fragte erstaunt: »Was war das jetzt?«
Bengt Frederiksen griff sich eine Büroklammer und
begann, diese zu verbiegen. Verschämt sah er dabei auf seine Finger.
»War Ihr Schwiegervater tatsächlich hinter den Frauen
her?«, fragte Christoph nach einer Weile und dachte daran, dass man Nommensen
mit herabgelassener Hose gefunden hatte. War das ein symbolischer Akt eines
gehörnten Ehemannes? Die Art und Weise, wie man den Inselkönig in der Vogelkoje
behandelt hatte, ließ durchaus auf einen Racheakt schließen.
»Ich sage nichts mehr, sonst …« Bengt Frederiksen
brach mitten im Satz ab und warf wütend die Büroklammer auf seine
Schreibtischplatte, als ein Mann in dicker Winterjacke in den Raum kam. Er trug
eine innen gefütterte Lederkappe, von der die Ohrenschützer an den Seiten lose
herunterhingen.
»Ist was mit Inga?«, fragte der Mann, dem die
schmächtige Statur auch unter der dicken Winterkleidung anzusehen war.
»Moin, Frerk«, grüßte Frederiksen. Man sah ihm an,
dass er sichtlich froh war über die Unterbrechung.
Der Neuankömmling wandte sich an Thönnissen. »Was ist
los?«, fragte er. »Ich denke, ich soll nach Witsum.«
»Hoogdaalen, du sollst nicht denken. Kletter auf
deinen Bock und sieh zu, dass du die Straße von Nieblum nach Borgsum frei
kriegst. Und dann weiter rüber nach Utersum. Hast du das kapiert? Guck auch
mal, wie es auf ‘m Weg nach der BfA-Klinik aussieht.« Thönnissen schnauzte den
Mann förmlich an. Offenbar waren es aber alle gewohnt, vom Disponenten so
behandelt zu werden. Jedenfalls schien Frerk Hoogdaalen davon nicht
beeindruckt.
»Ich trink noch ‘nen Kaffee«, erklärte er in aller
Seelenruhe. »Dann mach ich mich vom Acker.«
»Sie sind der Mann von Ute Hoogdaalen?«, fragte ihn
Christoph.
Hoogdaalen blieb stehen. »Ja«, sagte er knapp.
»Wir sind von der Polizei und stellen Ermittlungen zum
Tod von Thies Nommensen an.«
Hoogdaalen grinste breit und zeigte dabei zwei Reihen
sanierungsbedürftiger Zähne. »Das lohnt doch nicht. Da sind doch alle froh,
dass der den Arsch zusammengekniffen hat.«
»Halt die Klappe, Hoogdaalen«, zischte ihn Thönnissen
an und überhörte sogar das Klingelns eines Telefons. »Du bist aufgeregt. Da
sagt man was Falsches.«
»Sie sind in guter Gesellschaft«, versuchte Christoph
den Mann zu ermutigen. »Wir haben schon viele Stimmen gehört, die sich kritisch
über den Toten geäußert haben.«
»Da sehn Sie mal.« Hoogdaalen näherte sich Christoph
und baute sich vor ihm auf. Dann tippte er sich mit dem Zeigefinger gegen die
Brust. »Schreiben Sie mich ruhig mit auf die Liste, wenn Sie einen Mörder
suchen. Dem, der das getan hat, müsste man einen Orden verleihen.«
»Haben Sie sich den verdient?« Große Jäger drängte
sich an Christoph vorbei. Doch der Mann war nicht zu erschüttern.
»Das
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