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Inselkönig

Inselkönig

Titel: Inselkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nygaard
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mochten und ihm alles verziehen haben. Prost.« Der Oberkommissar
hielt Wilhelm die Teetasse entgegen.
    Der alte Mann schlürfte vernehmlich von seinem
Getränk. »Nee.« Er schüttelte den Kopf. »Nommensen mochte keiner. Der hatte
immer Ärger mit seinen Leuten. Alle haben ihn verflucht. Ich«, er klopfte sich
gegen die Brust, »sollte auch bei ihm anfangen. Mensch, was hab ich für ‘n
Dusel gehabt, dass ich kurz vorher ‘nen Job bei der Fähre gekriegt hab. Gibt ja
wenig andere Möglichkeiten auf Föhr. Der Inselkönig, weißt du, der hatte
überall seine Hand im Spiel.«
    »Und niemand hat sich ihm entgegengestellt? Keiner
bietet ihm Einhalt?«
    Wilhelm griff zu seiner Kornflasche, besah sich
nachdenklich die Neige, sagte: »So«, und schüttete den Rest in seine Teetasse.
Dann blinzelte er zu Große Jägers Flasche hin, die sich auch schon zu einem
guten Drittel geleert hatte. »Doooch.« Der alte Mann begann, gedehnter zu
artikulieren. »So ‘n Bauer aus der Marsch. Der hat sich gegen Nommensen
aufgelehnt. Die beiden sind sich spinnefeind. So richtig.« Wilhelm lachte in
sich hinein. »Die hau’n sich gegenseitig was vorn Latz.«
    »Sag nur, die prügeln sich?«
    »Ach nee, ich mein mehr so symb… äh, symbolisch.
Nommensen wollte doch in die Politik. Damit er sich noch mehr untern Nagel
reißen kann. Mach’n die doch alle, die da oben.«
    »Was heißt das? Politik?«
    »So genau kenn ich mich da nicht aus. Kreistag oder
nach Kiel.« Wilhelm zeigte mit ausgestrecktem Zeigefinger auf Große Jäger, als
würde er ihm drohen. »Eins sag ich dir: Der Matzen, also der andere, ist auch
nicht ohne. Der spinnt doch mit seinem Ökokram. Da war der Nommensen wieder
schlau.« Wilhelm zog, um seine Worte zu unterstreichen, das rechte Augenlid
herab. »Nommensen hat gesagt, dass das Käse ist und so. Auch diese blöde Idee,
Land zu kaufen und das einfach so brachliegen zu lassen. Mit nix was drauf.«
    »War der Nommensen wirklich so ein heißer Typ, wie die
Leute sagen?« Große Jäger hoffte, dass Wilhelm nicht auffiel, dass der
Oberkommissar zu einem Thema wechselte, von dem er als angeblicher Fremder, der
ganz neu auf die Insel gekommen war, nichts wissen konnte. Doch der alte Mann
bemerkte nichts. Er war deutlich an der Schwelle der Trunkenheit angekommen.
    »Der hat nix anbrennen lassen. Wundert mich aber
nicht. Seine Olle ist so was von kalt. Bei der kannst du dir dein Herz nicht
erwärmen. Da fragst dich, warum die Tochter einen Depri hat.« Er bewegte seine
Hand vor der Stirn hin und her. »So sagt man«, schwächte er sogleich ab. »Mit
den Weibern in seinem Haus war er schon genug gestraft. Und sein einziger
Enkel. Das ist ein Mongo.«
    »Du meinst sicher, das Kind ist am Downsyndrom
erkrankt«, stellte Große Jäger richtig, weil ihm Wilhelms Umschreibung trotz
des Alkoholgenusses zuwider war.
    »Von mir aus.« Der alte Mann lallte jetzt. Dann beugte
er sich über den Tisch und winkte Große Jäger, näher zu kommen. »Weißt du, was
lustig ist?«, fragte er und sah Große Jäger aus geröteten Augen an. »Den
Inselkönig, den haben sie draußen gefunden, in der Marsch. Dem haben sie die
Hose runtergezogen und den Pimmel abgeschnitten. Das ist die Strafe dafür, dass
er mal eine Frau vergewaltigt haben soll.«
    »Weißt du das genau?«, fragte Große Jäger.
    »Ganz genau. Hundertprozentig«, lallte Wilhelm und
begann zu kichern, wurde immer leiser, bis sein Kopf auf die Brust fiel und er
sanft eingeschlafen war.

SECHS
    Der Kaffeeduft zog durch den Raum und vermischte sich
mit dem der knusprigen frischen Brötchen, die auf dem Büfett lagen. Das
reichhaltige Angebot verlockte dazu, mehr zu essen, als Christoph sich
vorgenommen hatte.
    Er hatte tief und fest geschlafen, auch wenn sich am
Morgen eine verstopfte Nase und eine belegte Stimme als Folge seines gestrigen
Einsatzes einstellten. Anna hatte ihn geweckt und ihm zugeraunt, dass Mommsen
bereits im Wohnzimmer saß und die Morgentoilette absolviert hatte, ohne dass es
einer der anderen mitbekommen hatte.
    Der kurze Weg von ihrer Suite, wie das Appartement
genannt wurde, zum Frühstücksraum im hinteren Teil des Anwesens hatte sie über
einen schmalen, geräumten Pfad geführt. Ein strahlend blauer Himmel und die
weiße Winterpracht ließen die schneidende Kälte vergessen. Wer den Sturm vom
Vortag miterlebt hatte, konnte sich die Windstille kaum vorstellen.
    Das Ehepaar, dem sie schon in den Vortagen begegnet
waren, war kurz nach ihnen gekommen, hatte

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