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Inselkönig

Inselkönig

Titel: Inselkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nygaard
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freundlich gegrüßt und sich still in
eine Ecke des Raumes zurückgezogen. Die beiden älteren Damen waren schon
anwesend und gackerten wie zwei junge Mädchen, als Christoph in den Speiseraum
kam. Auf dem Weg vom Buffet war jene unternehmungslustige Frau, die Christoph
am Vortag in den Allerwertesten gekniffen hatte, an ihren Tisch gekommen. Die
Dame hatte ihre Hände auf seine Schultern gelegt und leise geflüstert: »Sie
sind mir hoffentlich nicht böse, aber ich habe nicht nur eine Wette gewonnen,
sondern auch sehr viel Spaß gehabt.« Dann hatte sie sich noch ein wenig näher
an Christophs Ohr herangepirscht und geflüstert: »Trotzdem. Wenn der junge
Mann, der Ihnen gegenübersitzt, gestern auch schon da gewesen wäre, hätte ich
den gekniffen. Da wird eine alte Frau wieder lebendig.«
    Sie tätschelte Annas Wange und sagte: »So jung wie Sie
möchte ich auch noch einmal sein. Glauben Sie mir, dass ich nachts nicht lesen
würde, wenn so ein Kerl wie Ihrer neben mir liegen würde. Halten Sie Ihren Mann
fest. Ich glaube, das ist ein Guter.« Sie lächelte Mommsen an. »Sie haben nette
Freunde. Oder sind das Ihre Eltern? Nein«, beschloss sie, »die junge Frau
könnte Ihre Schwester sein.« Dann zog sie sich an ihren Tisch zurück.
    »Das sind muntere Mitbewohner«, stellte Mommsen fest.
»Aber was hat das mit dem kernigen Popo auf sich?«
    »Ich bin Christoph zu jung«, sagte Anna keck. »Deshalb
hat er gestern mit anderen Frauen angebändelt.«
    »Du hast doch gehört, dass du mich festhalten sollst.«
    »Da bin ich ohne Sorge. Wer will schon einen
streunenden Kater, der sich nächtelang herumtreibt und vorgibt, schwere Jungs
zu observieren.«
    »Lieber schwere Jungs als leichte Mädchen«, erwiderte
Christoph. »Außerdem sind wir nicht verheiratet.«
    »Noch nicht. Du hast aber gehört, dass die alte Frau
dich als ›meinen Mann‹ bezeichnet hat. Mich würde interessieren, ob sie in die
Zukunft sehen kann.«
    »Dann könnte sie uns verraten, wann Wilderich
erscheint.«
    »Ich habe ihn geweckt, als wir gegangen sind«, sagte
Mommsen. »Er wollte in fünf Minuten da sein.«
    »Fünf Minuten?«, fragte Anna skeptisch. »Wie schafft
er es, in dieser Zeit zu duschen, sich die Zähne zu putzen und sich zu
rasieren?«
    Christoph und Mommsen sahen sich an und brachen in ein
schallendes Gelächter aus.
    »Kurz nach zwei ist er zurückgekommen. Mit Sicherheit
war er nicht allein«, sagte Mommsen.
    »Heißt das …?« Christoph deutete mit seiner Hand die
Geste des Trinkens an.
    Mommsen nickte. »Aber ordentlich. Wenn man in einer
fremden Stadt wissen möchte, wo etwas los ist, muss man Wilderich als Stoßtrupp
zur Aufklärung schicken. Die Erfolgsquote ist garantiert einhundert Prozent.«
    Als wäre er gerufen worden, erschien Große Jäger in
der Tür. Er war gekleidet wie immer – die schmuddelige Jeans, das rote
Holzfällerhemd und die Lederweste mit dem Einschussloch. Seine strähnigen Haare
klebten am Kopf, und das stoppelige Kinn war unrasiert. Er verharrte einen Moment
im Türrahmen, entdeckte die drei und wollte den Tisch ansteuern, als er wie
angewurzelt stehen blieb. Unverwandt starrte er auf den Tisch mit den beiden
älteren Damen. Dann rieb er sich die Augen, als könne er damit eine Fata
Morgana fortwischen. Noch einmal blinzelte er in die Richtung, bis er ungläubig
den Kopf schüttelte. Für einen kurzen Moment hatte es den Anschein, als würde
er auf dem Absatz umkehren wollen, aber die zweite Frau hatte ihre Begleiterin
auf Große Jäger aufmerksam gemacht. Die lebenslustige Frau, die Christophs
Gesäß zum Gegenstand ihrer Wette auserkoren hatte, drehte sich um, setzte ihre
Brille auf, die sie an einem Band um den Hals trug und die bis dahin auf ihrem
ausladenden Busen geruht hatte, musterte den Oberkommissar und stand auf.
    Mit ausgebreiteten Armen stürmte sie Große Jäger
entgegen, der immer noch bewegungslos an seinem Standort verharrte.
    »Wilderich!«, rief sie. Dann hatte sie ihn erreicht
und quetschte ihn an ihren Busen. Große Jäger stand wie zur Salzsäule erstarrt.
    Die Frau reckte ihren Kopf in die Höhe und küsste den
widerstrebenden Große Jäger auf den Mund.
    Endlich gelang es ihm, sich aus ihrer Umklammerung zu
lösen. Vorsichtig fasste er sie an den kräftigen Oberarmen und schob sie auf
die Distanz einer Armlänge von sich, ohne sie loszulassen.
    Er sah sie entgeistert an. »Mama!«
    Sie zog ihn erneut an ihre Brust. »Mein Junge, was
machst du hier? Ich denke, du

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