Inselkönig
Junge
den Job bekommt. Nommensen hat ihn immer für eine Niete gehalten und das auch
überall herumposaunt. Jeder hat sich gefragt, warum er ihm seine einzige
Tochter gegeben hat. Aber wer wollte die schon haben? Sie war eine verzogene
Göre, immer voller Wehleidigkeit. Ich glaube, die hätte einen ordentlichen Mann
gebraucht, der ihr gezeigt hätte, wo es langgeht. Die Witwe wird das nie
zulassen. Telse ist nicht dumm. Sie weiß, dass die Leute auf der Insel Bengt
Frederiksen nicht für voll nehmen. Das ist keine gute Basis für erfolgreiche
Geschäfte.«
»Wen können Sie sich als Nachfolger vorstellen?«
»Ich hoffe, es gibt keinen, sondern der Laden geht den
Bach hinunter.«
»Nommensen hat sehr eng mit Innig & Raub
zusammengearbeitet. Das sind zwei tüchtige Kaufleute. Könnten die beiden oder
einer von ihnen einsteigen? Schließlich kennen sie sich im Umfeld aus.«
»Hören Sie mir mit den beiden Windhunden auf. Die
taugen zu nichts.«
»Das hat Ihre Tochter anders gesehen. Schließlich war
sie mit Matthias Raub befreundet.«
»Und nun ist sie vom Regen in die Traufe gekommen.
Aber«, dabei atmete Matzen hörbar aus, »nun wird alles anders.«
»Besser?«
»Ganz bestimmt.«
»Wo finden wir Ihren Bruder? Und kann dessen Frau uns
ebenfalls bestätigen, dass Sie vorgestern zu Hause waren?«
»Mein Bruder ist nicht verheiratet.« Matzen holte tief
Luft und schrie unvermittelt: »Peter!«
Irgendwo im Haus war ein Geräusch zu hören, kurz
darauf erschien ein Mann mit angegrauten Haaren. Er trug eine grobe Cordhose,
die durch Hosenträger gehalten wurde. Das Baumwollhemd war am Kragen offen, die
Füße steckten in Filzpantoffeln. Der Mann zog noch einmal genussvoll an seiner
halb gerauchten Zigarre, blies den Beamten die Rauchschwaden entgegen und
fragte: »Jo? Wat los, Reimer?«
»De twee sünd von de Griepers vun Hüsem. De harr nen
poor Frogen wegen Thies.«
Peter Matzen ließ seine kräftige Gestalt auf einen
Küchenstuhl fallen, dass es im Holz ächzte. Seine Befragung erwies sich als
noch weniger aussagekräftig als die seines Bruders. Er gab vor, nichts zu
wissen, nichts gehört zu haben, und … »Ich arbeite den ganzen Tag auf dem Hof«,
erklärte er. »Das ist ein Knochenjob. Abends bin ich richtiggehend kaputt. Da
hocke ich mich in meiner Kammer nur noch vor den Fernseher. Meistens schlafe
ich. Ich habe keine Ahnung, was sonst los ist. Das interessiert mich auch
nicht.«
»Waren Sie vorgestern mit Ihrem Bruder und Ihrer
Schwägerin zusammen?«, wollte Christoph wissen.
»Was war vorgestern? Was gab es da im Fernsehen?«,
überlegte Peter Matzen laut. »Doch, ja«, entschied er dann.
»Woher wissen Sie das so genau?«
»Weil wir immer hier sind. Die beiden sind im
Wohnzimmer und ich in meiner Kammer.«
»Dann könnte Ihr Bruder das Haus verlassen haben, ohne
dass Sie es bemerkten?«
»Könnte, hat er aber nicht.«
»Sie sind sich sicher?«
»Jo.«
»Obwohl Sie nicht immer zusammen waren?«
»Jo.«
Er blieb standhaft bei dieser Behauptung.
»Eine letzte Frage haben wir noch«, wandte sich
Christoph zum Abschied an Reimer Matzen. »Was haben Sie davon gehalten, dass
Nommensen und seine Agenten Innig & Raub ihre Objekte fast ausschließlich
an Auswärtige verkauft haben? Wenn das so weitergegangen wäre, hätte irgendwann
ein Ausverkauf der Insel stattgefunden. Es hätte der Zustand wie auf Sylt
gedroht, dass die Einheimischen mangels Kaufkraft vertrieben werden und auf dem
Festland wohnen. Viele ehemalige Sylter Insulaner fahren heute jeden Tag mit
dem Zug in ihre ursprüngliche Heimat zur Arbeit, weil sie sich den Aufenthalt
dort nicht mehr leisten können.«
Reimer Matzen legte die Hand auf das Gewehr. »Genau
das darf hier nicht passieren. Darum muss solchen Leuten wie Nommensen, Innig
und Raub Einhalt geboten werden, egal wie.«
Christoph sah die beiden Brüder Matzen an, dann die
Jagdwaffe. Es waren große und kräftige Männer. Er erinnerte sich an seine erste
Idee, als er am Tatort in der Vogelkoje war.
»Kommen Sie mal mit«, forderte Matzen die Beamten auf
und verließ die Wohnküche.
»Was hat er vor?«, fragte der Oberkommissar, folgte
dem Bauern aber. Christoph schloss sich an.
Matzen stapfte über den verschneiten Hof, umrundete
das Haus und führte die Beamten über einen Trampelpfad bis zur Hausecke.
»Da! Sehen Sie sich das an.« Er legte die Hand als
Blendschutz an die Stirn. Christoph tat es ihm gleich, da die tief stehende
Sonne und das reflektierende Weiß so
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