Inselkönig
blendeten, dass nichts zu erkennen war.
»Das verdanke ich Nommensen.«
Von der Zufahrt nicht einsehbar standen dort drei im
Rohbau fertige Blockhäuser, kleiner als der Hof, aber geräumig genug, um
jeweils komfortabel als Unterkunft zu dienen.
»Das sollen Ferienhäuser werden. Ökologisch
durchdacht. Und Nommensen hat dafür gesorgt, dass der Bau gestoppt wurde.«
»Haben Sie ohne Genehmigung gebaut?«, fragte
Christoph.
Matzen stemmte die Fäuste in die Hüften. »Wo denken
Sie hin. Alles beim Kreis beantragt, mit ordentlicher Genehmigung. Die
Finanzierung war durch, und wir haben angefangen, bis … peng.« Mitten im Satz
hielt Matzen an und deutete mit der rechten Hand symbolisch eine Handfeuerwaffe
an, wie es kleine Kinder zu tun pflegen.
»Das kann doch nicht sein. Mit welcher Begründung
wurde die Genehmigung zurückgezogen?«
»Das möchte ich auch gern wissen«, empörte sich
Matzen. »Mit Sicherheit hatte Nommensen seine Finger im Spiel. Es ist doch
klar, dass ihm das hier gegen den Strich gegangen ist. Da hätte sich etwas
entwickelt, das nicht von ihm gesteuert wurde.«
»Auch der Inselkönig kann keine Bauvorhaben stoppen«,
sagte Große Jäger mit Entschiedenheit.
»So? Dann erklären Sie mir das.« Matzen zeigte auf die
Bauruinen. »Wenn Nommensen so etwas ohne politisches Mandat bewerkstelligen
konnte, frage ich mich, was er nach seinem Einstieg in die Politik zustande
gebracht hätte. Dann, meine Herren, wäre er nicht nur der Inselkönig gewesen,
sondern hätte auch nahezu absolutistisch regiert.«
»Nun übertreiben Sie aber maßlos«, versuchte der
Oberkommissar den aufgebrachten Matzen zu bremsen. »Wir leben schließlich in
einer Demokratie.«
»Das ist lächerlich. Wenn die stärkste Partei, sagen
wir mal, sechsunddreißig Prozent erhält und nur zwei Drittel der
Wahlberechtigten gewählt haben, so repräsentierten die an der Macht gerade,
wenn wir großzügig aufrunden, ein Viertel aller Wahlberechtigten. Haben Sie mal
genau hingesehen, wenn aus dem Bundestag berichtet wird? Da wird ja nicht
ständig im Parlament debattiert, sondern nur manchmal, wenn Beratungswochen
sind. Und dann … Keiner der Abgeordneten hält es für nötig, seiner Arbeit
nachzugehen. Der Bundestag ist leer. Wenn dann auch nur zehn Prozent des
Parlaments anwesend sind, heißt das, gerade einmal zwei Komma fünf Prozent
aller Wahlberechtigten machen unsere Gesetze. Und das nennen Sie repräsentative
Demokratie? O nein, meine Herren! Wenn dann noch jemand wie Nommensen
mitmischt, dann sind wir endgültig verloren. Insofern ist es ein Gewinn für die
Demokratie, dass er nun tot ist.«
Große Jäger schüttelte den Kopf. »Ihre Einstellung ist
demagogisch. Ich kann nur hoffen, dass Sie nicht selbst glauben, was Sie da von
sich geben.«
Matzen wollte antworten, aber Christoph fuhr
dazwischen: »Wir wollen einen Mordfall aufklären und keine
Grundsatzdiskussionen führen.« Er zupfte Große Jäger am Ärmel. »Komm,
Wilderich.«
Die Verabschiedung fiel frostig aus. »Sagen Sie nicht
›Auf Wiedersehen‹«, hatte ihnen Reimer Matzen hinterhergerufen. »Darauf lege
ich keinen Wert.«
»Wir sollten aufhören, mit weiteren Leuten zu
sprechen«, sagte Große Jäger sarkastisch, nachdem er den Motor gestartet hatte.
»In jedem Gespräch taucht ein neuer Verdächtiger auf. Unsere Liste wird immer
länger. Reimer Matzen hätte gleich vier Motive gehabt, Nommensen zu ermorden.«
»Es wurde schon für weniger getötet«, pflichtete
Christoph ihm bei. »Matzen kennt die Örtlichkeiten auf Föhr, also auch die
Vogelkoje. Er und sein Bruder sind groß und kräftig, was ich nach meinen
Erkenntnissen am Tatort als Voraussetzung erachtet habe, und die
heruntergezogene Hose beim Opfer passt auch. War das eine Strafe, weil
Nommensen mit Inga Matzen intim war? Mit dem Jagdgewehr wäre es auch möglich
gewesen, Nommensen zu bedrohen und eine Gegenwehr zu verhindern.« Er sah auf
die Armbanduhr. »Ich werde bei Harm rückfragen, ob es bei ihm etwas Neues
gibt.«
»Einiges«, erwiderte Mommsen. »Ich habe mit der
Rechtsmedizin in Kiel gesprochen. Sobald die Straßen auch drüben auf dem
Festland wieder durchgängig befahrbar sind, wird der Leichnam nach Kiel
gebracht. Die Spurensicherung wird vermutlich heute Nachmittag auf Föhr
eintreffen.«
»Kannst du Kontakt zur Sparkasse aufnehmen und ein
Alibi überprüfen?«, bat Christoph Mommsen. »Gestern oder vorgestern Nachmittag
soll ein Herr Thode zu Besuch bei Reimer Matzen
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