Inselkönig
verstehe, kann man aus der IP -Adresse
auf die natürliche Person und den Computer schließen, an dem dieser Mensch
sitzt.«
»So funktioniert das.«
»Und? Wer ist das?«
»August Hinrichsen.«
»Das kann nicht wahr sein«, entfuhr es Große Jäger.
»Dieser Prolet? Der kann doch nicht bis drei zählen. Wie kommt der an solche Aufnahmen?
Dazu werden wir ihn befragen.«
»Du hattest noch eine weitere Nachricht für uns«,
erinnerte ihn Christoph.
»Leider keine gute. Frau Grothe hat sich gemeldet. Dem
Chef geht es nicht gut. Er liegt im Westküstenklinikum, aber der Zustand ist
nicht befriedigend.«
»O verdammter Mist.« Große Jäger unternahm nicht den
Versuch, seine Besorgnis zu unterdrücken. »Weißt du Näheres?«
»Leider nicht. Ich habe es auch nur von Hilke gehört.
Und die hat nicht selbst mit Frau Grothe gesprochen. Es ist wie stille Post.«
»Darin sind wir mittlerweile geübt«, sagte Große
Jäger. »So laufen unsere ganzen Ermittlungen hier auf Föhr ab.«
Im Anschluss an dieses Gespräch rief Große Jäger in
Nommensens Betrieb an und ließ sich mit dem Disponenten verbinden.
»Was gibt’s?«, brüllte Thönnissen in den Hörer, sodass
selbst Große Jäger zusammenzuckte und den Apparat ein Stück vom Ohr abhielt.
»Große Jäger, Polizei Husum. Wo ist Hinrichsen im
Augenblick?«
»Warum willst du das wissen?«, fragte Thönnissen in
unveränderter Lautstärke zurück.
»Wann hast du das letzte Mal deine Frau gebumst?«
Christoph sah das breite Grinsen im unrasierten
Gesicht des Oberkommissars.
Die Verblüffung am anderen Ende der Leitung war
unüberhörbar. »Sie … Sie … Das ist eine unerhörte Frage.« Thönnissen war zum »Sie«
gewechselt.
»So wie du nicht alles verraten wirst, sage ich dir
auch nicht alles.«
Es rauschte in der Leitung, als wäre am anderen Ende
ein Gewittersturm aufgezogen.
»Hinrichsen ist in Utersum. Er versucht, die Gegend um
das Kurheim frei zu schaufeln«, kam es atemlos aus dem Lautsprecher. Dann
zeigte die Elektronik an, dass die Verbindung unterbrochen war.
Die Straße führte am Areal des Golfplatzes vorbei, der
heute verlassen in der Sonne lag.
»Bei Schnee kann man den Sport nicht ausüben«, sagte
Große Jäger, während er den Mercedes über die glatte Straße steuerte.
»Doch«, erwiderte Christoph. »Die findigen Nordländer,
bei denen Golf Volkssport ist, haben dafür leuchtend rote Bälle erfunden.«
»Überall wird über die Technik diskutiert. Warum ist
noch niemand auf die Idee gekommen, im Golfball einen kleinen Sender zu
integrieren? Damit findet man auch solche Bälle wieder, die irgendwo in der
Botanik verschwunden sind.«
»Das würde dem Wesen dieser Sportart widersprechen.«
»Wann hast du das letzte Mal gespielt?«
Christoph seufzte. »Ach, das ist schon viel zu lange
her.«
Sie hatten Nieblum erreicht und bogen rechts ab. Für
einen Moment genoss Christoph den malerischen Anblick der reetgedeckten Häuser
mit den weißen Schneehauben. Alles sah ungemein friedlich aus.
Die Straße schlängelte sich von hier aus gen Westen.
Sie passierten das unscheinbar wirkende Borgsum. Seitlich der Landstraße war
alles eine ebene weiße Fläche. Dort, wo der Wind darübergeweht war und den
frisch gefallenen Schnee mitgenommen hatte, der dann auf meist nur kleine
Hindernisse wie niedrige Büsche, manchmal auch nur geringfügige Erdhaufen
gestoßen war, hatten sich Schneewehen aufgetürmt. Sie waren jetzt zur Seite
geschoben worden, ließen aber immer noch erahnen, dass hier mit normalen Fahrzeugen
kein Durchkommen gewesen wäre.
Große Jäger zeigte auf eine der Anhäufungen. »Sieh dir
das genau an. Das ist die globale Erderwärmung.«
Am Eingang des Fünfhundert-Seelen-Nordseebades
begrüßte sie ein Hinweis, dass Gäste bitte hier parken sollten. Der unbefahrbare
Platz wirkte ebenso verlassen wie die nahe Gastronomie.
»Lung Jaat«, las Christoph vor.
»Häh?«
Christoph wiederholte es.
»Sprichst du jetzt Friesisch mit mir?«
»Welches Friesisch?«, fragte Christoph zurück.
»Wusstest du, dass es allein zehn Hauptdialekte der friesischen Sprache gibt?
Oftmals unterscheiden sie sich auf kleinstem Raum. Auf Amrum, nur etwa drei
Kilometer entfernt, wird Öömrang gesprochen, hier Fering. Das wird von nur noch
gut dreitausend Menschen gesprochen, überwiegend in den Dörfern. Aber es kommt
noch schlimmer. Es gibt davon auch noch Ortsdialekte mit so schönen
Bezeichnungen wie Weesdring, Aasdring und Boowentaareps.«
»Aha.
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