Inselkönig
genommen.
Der Oberkommissar hielt ihr die offene Handfläche hin.
»Wir könnten auch danach suchen.«
»Niemand wird es Ihnen abnehmen, dass wir etwas mit
dem Mord an Nommensen zu tun haben.«
»Das prüfen wir selbst. Wir werden den Geländewagen
von der Spurensicherung untersuchen lassen. Und wenn Thies Nommensen irgendwann
auch nur in die Nähe des Fahrzeuges gekommen ist, dann werden wir es beweisen.«
Frau Matzen sah an den Beamten vorbei. Es schien, als
würde sie prüfen, ob sie beobachtet wurden.
»Mir kommt die Kälte ins Haus«, sagte sie. »Wollen Sie
nicht reinkommen?« Sie ließ die Polizisten ein, beschränkte sich aber darauf,
in der Diele stehen zu bleiben.
»Es ist nicht so, wie Sie denken«, begann sie, und
Große Jäger fing lauthals an zu lachen.
Irritiert sah sie ihn an.
»So beginnen die Szenen in jedem schlechten
Liebesfilm, wenn jemand in flagranti ertappt wird.«
»Thies Nommensen hat bei mir im Wagen gesessen.«
»Am Dienstag?«
»Ich weiß es nicht mehr.«
»Das klingt unglaubwürdig. Wir möchten nur die
Wahrheit hören.«
»Ja, es war am Dienstag. Wir hatten uns verabredet und
wollten nach Möglichkeiten suchen, die Unstimmigkeiten zwischen den Familien
auszuräumen. Auf Dauer hätte es allen geschadet.«
»Hat Ihr Mann Sie geschickt? Schließlich haben
Nommensens Aktionen Sie in wirtschaftliche Bedrängnis gebracht.«
Sie erschrak merklich. »Mein Mann hat davon nichts
gewusst. Er darf das auch nicht erfahren. Können Sie mir das versprechen?«
Große Jäger schüttelte den Kopf. »Ich bin fair zu
Ihnen, denn ich kann keine Zusagen machen.«
»Es ist zutreffend, dass Thies Nommensen aus den
Schwierigkeiten, in die wir uns selbst hineinmanövriert haben, sofort seinen
Nutzen gezogen hat. Er hatte eine Nase dafür. Thies war wie ein Geier. Er roch
förmlich, wo jemand ums Überleben kämpfte. Dann stieß er zu und war ohne
Skrupel. Oft hat er nicht einmal gewartet, bis das Opfer tot war.«
»Warum hätte Thies Nommensen auf Ihren Vorschlag
eingehen sollen?«, mischte sich Christoph ein. »Es hätte ihm keine Vorteile
gebracht. Wir haben von allen Leuten gehört, dass Nommensen sich immer das
genommen hat, was er wollte. Und er hat es stets bekommen.«
Frau Matzen blickte ein wenig verschämt zu Boden.
»Diesmal war es anders.«
»Es ging nicht um geschäftliche Dinge?«
»Nicht unbedingt«, druckste sie herum. »Es war etwas
Zwischenmenschliches.«
»Sie haben eine Affäre mit Thies Nommensen gehabt?«
Mit großen Augen sah Frau Matzen Christoph an. »Das
ist lange her«, behauptete sie.
»Wie lange?«
»Jahre.«
»Beruhte die Beziehung auf Gegenseitigkeit, oder hat
Nommensen nachgeholfen?«
»Jeder kennt das Gerücht von der Vergewaltigung. Ich
bezweifele, dass da etwas Wahres dran ist. Thies war kein Kind von Traurigkeit.
Jeder wusste, dass er Frauen mochte. Insgeheim gab es wohl manche Frau, die
hinter vorgehaltener Hand von ihrem Abenteuer mit Thies geschwärmt hat.« Für
die Länge zweier Herzschläge schloss sie die Augen. Der Anflug eines leichten
Rotschimmers huschte über ihre Wangen. »Wenn jeder Mann auf der Insel so ein
begnadeter Liebhaber wie Thies wäre, müsste man Föhr die Insel der
Glückseligkeit nennen.«
»Das klingt wie ein Kompliment.«
»Bezeichnen Sie es, wie Sie möchten. Sie werden nur
keine Frau finden, die das offen eingesteht. Ich habe manchmal gedacht, dass
das Gerücht von der Vergewaltigung von jemandem in Umlauf gebracht wurde, um
anzugeben. ›Seht. Ich habe mich dem im Stillen von allen anderen angehimmelten
Thies Nommensen verweigert und ihn damit so rasend gemacht, dass er mich mit
Gewalt genommen hat. So sehr hat er mich begehrt.‹ Vielleicht ist das
der Traum einer unzufriedenen Frau.«
»Wollten Sie die Beziehung wieder aufleben lassen?«
»Vergangenes kann man nicht zurückholen. Ich gestehe,
dass es schöne, erfüllte Augenblicke waren.«
»Die Sie gern länger ausgekostet hätten, aber
Nommensen hat sich der nächsten Frau zugewandt.«
Frau Matzen sah ihn eine Weile wie in Trance an. »Ja«,
hauchte sie schließlich kaum wahrnehmbar.
»Wissen Ihr Mann und Ihre Tochter von Ihrem
Verhältnis?«
Ihr war das Erschrecken deutlich anzumerken. »Um
Gottes willen. Nein! Die dürfen es auch nicht erfahren. Mein Mann hätte Thies
totgeschlagen.«
»Damit stellen Sie ihn in die Reihe der Verdächtigen«,
sagte Christoph. »Immerhin hätte er zwei Gründe, sich an Thies Nommensen zu
rächen. Der Tote hat sich an Frau
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