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Inselkönig

Inselkönig

Titel: Inselkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nygaard
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Danke für die Vorlesung. Bist du dir sicher,
dass du es richtig ausgesprochen hast?«
    »Nein«, gestand Christoph. »Ich habe mich dafür
interessiert, weil das Friesische und das Sorbische in Deutschland geschützte
Sprachen und keine Dialekte sind.«
    »Heißt das, auf Sachsen, Bayern und Schwaben darf Jagd
gemacht werden?« Große Jäger ließ ein schelmisches Grinsen sehen.
    »Sprachlich ja. Aber unsere Kunden machen auf andere
Dinge Jagd und schrecken auch nicht vor Königen zurück, selbst wenn sie nur
Inselmonarchen sind.«
    Große Jäger hatte angehalten und die Hände auf dem
Lenkrad verschränkt. »Es ist gut zu wissen, dass du über eine breite
Allgemeinbildung verfügst. Statt philosophische Betrachtungen über Dialekte
anzustellen, solltest du mir lieber sagen, wo es weitergeht.« Dabei sah er sich
suchend um.
    »Es ist nicht erforderlich, dass du mein Wissen hast,
aber Lesen sollte die Grundvoraussetzung für den Polizeidienst sein.« Christoph
zeigte auf ein Hinweisschild.
    Der Oberkommissar fuhr wieder an, fletschte die Zähne
und schenkte Christoph ein lang gezogenes »Grrrh«.
    Der Ort wirkte wie ausgestorben. Nirgendwo war jemand
zu sehen. Die schmucken Anwesen lagen verlassen im Schnee. Auf der rechten
Seite gab es nur vereinzelt ein paar Häuser, während sich links ein endlos weit
erscheinendes Feld erstreckte.
    »Hier kann man wirklich weit gucken«, sagte Große
Jäger mehr zu sich selbst. Ein wenig weiter hörte die Bebauung komplett auf,
bis sie zum weitläufigen Areal der Rehaklinik kamen.
    »Der Thönnissen mag ein Hektiker sein, aber seine
Leute hat er im Griff«, sagte Große Jäger, als sie das Fahrzeug auf dem vom
Schnee geräumten Parkplatz abstellten. Die weißen Hauben auf den zahlreichen
Fahrzeugen zeigten, dass die Patienten der Klinik ihre Fahrzeuge in den letzten
zwei Tagen nicht angerührt hatten.
    Christoph warf im Vorbeigehen einen Blick auf die
Kennzeichen. Die Autos kamen aus allen Regionen Deutschlands.
    »Hoffentlich sind wir nicht umsonst hierhergefahren«,
sagte Große Jäger, als sie kein Räumfahrzeug entdecken konnten.
    Christoph hielt den Oberkommissar am Ärmel fest.
»Irgendwo höre ich es.« Es war das typische Geräusch eines anfahrenden
Lkw-Motors, der kurz darauf stoppte, kuppelte, schaltete und dann wieder
anfuhr.
    Sie folgten dem Motorenlärm. Die Klinik machte einen
fast düsteren Eindruck. Trotz der aufgelockerten Fassade wirkte das Haupthaus
mit den zahlreichen Einheitsfenstern auf Christoph wie eine Mischung aus altem
Kasernenbau und Krankenhaus. Sicher trug dazu auch die Backsteinmauer bei, die
den Bereich vor dem Haupteingang eingrenzte. Im Sommer mochte das alles freundlicher
aussehen, wobei auch das nahe Wäldchen und der Strand zum Erholungswert
beitrugen. Und wer sich von einer schweren Gesundheitsstörung erholte, war hier
auf Föhr gut aufgehoben.
    Etwas abseits des Klinikkomplexes lagen die
Dienstwohnungen der Mitarbeiter. Zwischen den beiden Wohnblocks rangierte ein
Unimog mit vormontiertem Räumschild.
    Die beiden Polizisten gingen auf das Gefährt zu, aber
der Fahrer tat, als würde er sie nicht bemerken. Unablässig setzte er das
Fahrzeug zurück, schaltete deutlich vernehmbar, senkte das Räumschild ab und
schob den nächsten Streifen lockeren Schnees an die Seite. Dann begann er von
Neuem.
    Große Jäger winkte ihm zu und bedeutete, dass er
halten solle, aber seine Signale blieben ohne Resonanz. Als der Unimog erneut
rückwärtsfuhr, um den nächsten Streifen an die Seite zu schieben, stellte sich
der Oberkommissar in die Bahn. Der Fahrer machte einen Schlenker, schaltete in
den Vorwärtsgang und kam direkt auf Große Jäger zu, der unverwandt auf seinem
Platz verharrte.
    Christoph hielt den Atem an. Er war sich nicht sicher,
ob der Fahrer den Oberkommissar von seinem Platz aus sehen konnte. Kurz bevor
das Räumschild Große Jäger erfasste, stoppte das Fahrzeug. Der Abstand war so
gering, dass eine Masse Schnee Große Jägers Beine bis zu den Waden bedeckte.
Die Nässe musste ihm augenblicklich in die Schuhe gelaufen sein.
    Der Oberkommissar blieb reglos stehen. Dann befreite
er sich aus dem nassen Haufen, umrundete gemächlich das Fahrzeug, ging zur Tür,
kletterte auf das hohe Trittbrett und öffnete.
    »Moin«, sagte er seelenruhig.
    Hinterm Steuer saß August Hinrichsen.
    Große Jäger griff unter seinen Parka, angelte nach
etwas am Gürtel an seinem Rücken, und bevor Hinrichsen reagieren konnte, war
seine linke Hand mit

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