Inselkönig
und Tochter herangemacht. In beiden Fällen
erfolgreich. Das mögen Männer und Väter nicht.«
»Ich bitte Sie, das alles für sich zu behalten. Mir
ist es nicht leichtgefallen zu sehen, wie Thies meine Tochter verführt hat. Da
sind nicht nur eigene Gefühle wieder aufgelebt, schließlich bin ich auch nur
eine Frau, sondern auch meine Verantwortung als Mutter war gefragt. Ich wusste
ja, dass Thies mit den Frauen nur spielte. Er hatte viele, aber sie waren immer
nur Gegenstand seiner Vergnügungen. Keine hätte jemals Telses Platz einnehmen
können. Und das wusste seine Frau auch.«
»Deshalb hat sie das Spiel die ganzen Jahre über
geduldet?«
»Geduldet oder erlitten? Da müssen Sie sie schon
selbst fragen. Manchmal habe ich sie bedauert, aber oft auch beneidet.«
»Waren Ihre Bemühungen, mit Thies Nommensen eine
Einigung zu erzielen, erfolgreich?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Thies war vieles. Auch
ein Sturkopf. Er ging skrupellos über Leichen.«
»Und wollte nicht von Ihrer Tochter lassen?«
»Nein«, sagte sie rasch und fuhr sich erschrocken mit
der Hand an den Mund, als hätte sie unfreiwillig etwas ausgeplaudert.
»Wo haben Sie sich getroffen?«
»In Dunsum, auf dem Parkplatz, von dem in der Saison
die Wattwanderungen nach Amrum starten. Da ist um diese Jahreszeit niemand.«
»Sie haben in Ihrem Wagen gesessen?«
»Ja. Thies war mit seinem Auto gekommen. Als wir uns
verabschiedet haben, ist er zu seinem Mercedes zurück, und ich bin sofort
abgefahren. Das war etwa um zehn Uhr.«
»Ist er auch gefahren?«
»Das nehme ich an.«
»Wie haben Sie sich verabschiedet?«
Sie knetete ihre Hände, dass die Gelenke knackten.
»Frau Matzen! Ist es zu Handgreiflichkeiten gekommen?
Der Tote wird gründlich in der Rechtsmedizin untersucht. Falls Sie noch etwas
anzumerken haben, sollten Sie es jetzt tun.«
Sie sagte etwas so leise, dass Christoph es nicht
verstand. Er forderte sie auf, lauter zu sprechen.
Jetzt zog ein dunkles Feuerrot über ihr Gesicht. »Er
hat mir an die Brust gefasst und gesagt, dass ein flotter Dreier gemeinsam mit
Inga ein ganz besonderes Erlebnis wäre.«
»Wie haben Sie reagiert?«
»Ich habe seine Hand abdrängen wollen, und als er
Widerstand leistete, habe ich ihn gekratzt.« Dann lösten sich Tränen aus ihren
Augenwinkeln. »Sie werden es nicht verstehen. Ich begreife es selbst nicht.
Aber als ich seine Hand an meiner Brust spürte, konnte ich mich nicht dagegen
wehren, Gefühle zu entwickeln.«
Große Jäger, der geduldig dem Dialog zwischen
Christoph und Frau Matzen gefolgt war, hatte noch eine letzte Frage. »Sie
erwähnten zu Beginn, dass Ihr Mann sich von der Fähre aus gemeldet hätte. Er
sprach von einer unangenehmen Begleitung.«
»Nommensen. Auf der Fähre stand der Leichenwagen.
Hoffentlich kommt der nie wieder.«
Dann händigte sie den beiden Beamten die
Fahrzeugschlüssel aus.
Hinrichsens Haus machte einen verlassenen Eindruck.
Wäre nicht die Rauchfahne mit dem dichten dunklen Qualm gewesen, hätte nur der
schmale Trampelpfad zum Eingang davon gezeugt, dass nach dem Schneefall
Menschen vom und zum Haus gegangen waren. Niemand hatte sich die Mühe gemacht,
den Schnee zu räumen.
Als Frau Hinrichsen die Tür öffnete, schlug den beiden
Beamten eine Wolke von Mief entgegen.
Bei diesem Wetter war es ratsam, nur kurz zu lüften,
um die mit teurer Energie bezahlte Wärme nicht zum Fenster hinaus entweichen zu
lassen. Das Ehepaar Hinrichsen schien ganz auf das Lüften verzichtet zu haben.
»Wir haben eine schlechte Nachricht für Sie«, begann
Christoph, und als er das erschreckte Aufblitzen in den Augen der Frau sah, war
ihm bewusst, dass er eine ungeschickte Wortwahl getroffen hatte.
»Mein Gott! Ist August etwas passiert? Sie sind doch
von der Polizei«, sagte die Frau und rieb ihre Handrücken in Höhe der Hüfte an
ihrem Pullover ab, dass die Speckrolle in Bewegung geriet.
»Es gibt keinen Anlass zum Erschrecken«, beruhigte
Christoph Frau Hinrichsen. »Höchstens eine kleine Unannehmlichkeit. Wir haben
Ihren Mann auf die Polizeistation gebeten.«
»Unten am Hafen?«
»Ja, in Wyk. Nun benötigen wir noch ein paar
Informationen.«
»Ich glaube, ich kann Ihnen nichts sagen.«
»Wir suchen den Fotoapparat Ihres Mannes.«
»Moment.« Wortlos verschwand sie und ließ die Beamten
im dunklen Flur stehen. Christoph war überrascht, dass Frau Hinrichsen nicht
nach Einzelheiten fragte. Kurz darauf tauchte sie mit einer handelsüblichen
Digitalkamera auf,
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