Inselkönig
Kriminalisten noch
ein wenig für euch übrig lassen. Und weil du ständig meckerst, du möchtest nur
noch an klinisch reine Tatorte kommen, haben wir die Leiche schon
abtransportiert.«
Hauptkommissar Klaus Jürgensen, der Leiter der
Kriminaltechnik der Bezirkskriminalinspektion aus Flensburg, sah Christoph an.
»Wie geht’s?«
»Du solltest einmal den Versuch machen und auf die
zugeworfene Frage ›Wie geht es Ihnen?‹ antworten: ›Der Papst hat Masern.‹ Es
wäre keine Überraschung, wenn dir dein Gesprächspartner geistesabwesend
antwortet: ›Fein. Freut mich zu hören. Und zu Hause auch alles okay?‹ Niemand
interessiert sich für das Wohlergehen seines Nächsten und keiner hört hin«,
antwortete stattdessen Große Jäger.
Christoph berichtete vom Stand der bisherigen
Ermittlungen, insbesondere vom Zustand des Opfers, als er es gefunden hatte. Christoph
zeigte Jürgensen und seinem Mitarbeiter die Bilder und gab seine Einschätzung
vom möglichen Tathergang wieder. »Den Koffer und den Ast, der eventuell als
Werkzeug zum Zerschmettern der Kniescheiben benutzt wurde, haben wir schon nach
Kiel geschickt.«
»Dann ist das ein unnützer Ausflug nach Föhr. Und das
bei diesem Schietwetter. Während ihr euch hier ausruht, kämpfen wir uns quer
durch Schleswig-Holstein in die unwirtlichste Ecke, die Deutschland zu bieten
hat.«
»Leidet ihr in Flensburg am aktuellen
Bildungsnotstand?«, lästerte Große Jäger. »Wir stehen auf einer Stufe mit dem
Serengeti-Nationalpark, den Galapagosinseln, dem Great-Barrier-Riff oder dem
Grand Canyon. Wir sind ein Weltnaturerbe.«
Jürgensen brach in schallendes Gelächter aus. Es
dauerte lange, bis er sich wieder beruhigt hatte. »Du bist ein Weltnaturerbe«,
sagte er glucksend. »So habe ich mir es immer vorgestellt.«
»Na schön. Vielleicht bin ich auch nur ein
Dinosaurier.« Große Jäger strich sich mit beiden Händen über den Schmerbauch.
»Auf jeden Fall bin ich ein Polizei-Dino. Und damit du nicht wieder meckerst,
haben wir einen ganz sauberen Tatort gezaubert. Lauter sauberer Schnee.«
»Willst du damit sagen, wir sollen durch den Winter
kriechen?« Jürgensen sah sich nach seiner Tasche um. »Wann geht die nächste
Fähre zurück?« Dann nieste er.
»Du kannst prophylaktisch so viel aus der Nase blasen,
wie du möchtest, erst suchst du nach Spuren«, sagte Große Jäger.
»Ich werde mit euch zur Vogelkoje fahren und vor Ort
meine Ideen erläutern«, beendete Christoph das Geplänkel.
»Dann kümmere ich mich um die DNA -Proben«, sagte Große Jäger.
Die Untersuchung des Tatorts in der Vogelkoje hatte
länger gedauert, als Christoph gehofft hatte. Hauptkommissar Jürgensen und sein
Mitarbeiter hatten das Areal akribisch nach Spuren abgesucht, sorgfältig
Schicht um Schicht des Schnees abgetragen, den Baumstamm nach Faserspuren
untersucht, schließlich das Stück des dünnen Stammes herausgesägt, an dem die
Handfessel erkennbare Spuren in der Baumrinde hinterlassen hatte. »Das werden
wir im Labor genau unter die Lupe nehmen«, hatte Jürgensen erklärt.
Christoph bewunderte die Geduld der beiden
Kriminaltechniker. Als sie, lange nach Einbruch der Dämmerung, nach Wyk
zurückkehrten, hatten die drei Polizisten zahlreiche Dinge in ihrem älteren VW LT untergebracht, mit dem sie ihre Ausrüstung transportierten.
»Das wird ein paar Tage dauern«, sagte Jürgensen mit
Bedauern.
»Dafür war ich schneller. Die DNA -Proben sind mit einem Kurier auf dem Weg nach Kiel«,
erklärte Große Jäger. »Es gab keine Probleme. Die junge Frau Frederiksen war
bei ihrer Mutter zu Gast, dem kleinen Jungen hat das Spiel Vergnügen bereitet,
Telse Nommensen war verblüfft, wie einfach das ist, und der alte Frederiksen
wollte gleich zwei Proben abgeben. Er muss zu viele Krimis gesehen haben,
jedenfalls hat er sich vorsorglich ein Haar ausgerissen. Sein Sohn war im Büro
und hat auch keinen Widerstand geleistet.« Große Jäger kratzte sich hörbar die
Bartstoppeln. »Es gab nur einen einzigen Zwischenfall unterwegs. Ich bin auf
meine Mutter, ihre Bekannte und Anna gestoßen. Anna hat mich und meinen Wagen
erkannt und so heftig gewunken, dass ich anhalten musste. Mannomann. Wenn ich
dir einen Rat geben darf: Erzähle deiner Mutter nicht, dass du bei der Polizei
arbeitest. Auf mich ist ein Gewitter guter Ratschläge niedergegangen, wo wir
den Mörder problemlos finden können. Der beste Tipp war, wir sollten ihm eine
Falle stellen. Und als ich mich vorsichtig nach dem
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