Inseln im All -: Roman (German Edition)
deutlich den Viktoriasee und die weiten Urwälder des Kongobeckens sehen. Was hätten wohl die Afrikaforscher Livingstone und Stanley gedacht, fragte ich mich, wenn sie gewusst hätten, dass eines Tages Menschen mit einer Geschwindigkeit von fast dreißigtausend Kilometer pro Stunde über den schwarzen Erdteil hinwegfliegen würden? Und dabei lag die Zeit dieser großen Forscher erst zweihundert Jahre hinter uns. Aber das waren zwei aufregende Jahrhunderte gewesen, in denen sich Entdeckungen, Erfindungen und neue Erkenntnisse in rasender Eile entwickelt hatten.
Wenn es auch faszinierend war, auf die Erde hinunterzuschauen, so spürte ich doch ein Schwindelgefühl bei diesem Anblick. Ich drehte mich also in meinem Anzug herum und richtete meine Aufmerksamkeit auf die Station. Tims Raketenantrieb hatte uns schon ein ganzes Stück davon fortgetrieben, und wir befanden uns jetzt schon fast zwischen den um die Station schwebenden Schiffen. Ich versuchte, nicht mehr an die Erde zu denken, und da ich sie nun auch nicht länger sah, fiel es mir nicht schwer, die Station als »unten« zu empfinden.
Das ist ein Trick, den jeder im Weltraum lernen muss. Wenn man nicht völlig in Verwirrung geraten will, muss man sich vorstellen, dass irgendwo »unten« ist. Dabei ist es natürlich wichtig, die günstigste Richtung für das »Unten« zu wählen – je nachdem, was man im Augenblick gerade tut.
Der kleine Raketenantrieb hatte uns nun gerade so viel Geschwindigkeit verliehen, dass wir damit unser Ziel in langsamer Fahrt erreichen konnten. Jetzt schaltete Tim das Triebwerk aus und erklärte mir, während wir dahintrieben, die Einzelheiten der Station von außen. Dieser Blick aus der Vogelschau vervollständigte die Vorstellung, die ich schon während des Rundganges von der Station gewonnen hatte, und ich kam zu der Überzeugung, dass ich mich so allmählich schon zurechtfinden würde.
Der äußere Rand der Station war einfach ein flaches Netzwerk von Verstrebungen und Trägern, die frei in den Raum hinausragten. Hier und da sah ich zylinderförmige Druckkammern, die als Werkstätten dienten und groß genug waren, um zwei oder drei Mann aufzunehmen; in ihnen wurden solche Arbeiten durchgeführt, die man im Vakuum nicht erledigen konnte.
Nahe am Rande der Station schwebte ein Raumschiff, von dem die Metallplatten der Außenhülle fast völlig abmontiert waren. Nur zwei dünne Halteseile verhinderten, dass es davontrieb – Seile, die auf der Erde kaum das Gewicht eines Menschen ausgehalten hätten. Ein paar Monteure in Raumanzügen arbeiteten an dem Rumpf. Ich hätte gern gehört, was sie miteinander redeten, um herauszufinden, was sie da machten, aber unsere Sprechgeräte waren auf eine andere Wellenlänge eingestellt.
»Ich lasse dich jetzt hier kurze Zeit allein«, sagte Tim. Er löste das Schleppseil von seinem Anzug und befestigte das lose Ende an einem Träger. »Unternimm nichts, während ich fort bin.«
Ich kam mir ziemlich närrisch vor, als ich nun so im Raum schwebte wie ein Luftballon am Faden, und ich war froh, dass niemand auf mich achtete. Während ich wartete, experimentierte ich mit den Greiffingern meines Anzugs und versuchte – freilich erfolglos – in das Schleppseil einen einfachen Knoten zu knüpfen. Später erfuhr ich, dass man so etwas schon tun konnte, aber es erforderte einige Übung. Die Männer an dem Raumschiff jedenfalls hantierten sehr geschickt mit ihren Werkzeugen – trotz der plumpen Handschuhe.
Plötzlich wurde es dunkel. Bis jetzt waren die Station und die Schiffe in strahlendes Licht getaucht gewesen – ein so grell flammendes Sonnenlicht, dass ich es nicht gewagt hatte, auch nur in die Nähe der Sonnenscheibe zu schauen. Jetzt aber war die Sonne hinter der Erde verschwunden, während wir über die Nachtseite des Planeten hinwegflogen. Ich wandte meinen Kopf zur Erde, und nun erblickte ich ein Bild, das so wunderbar war, dass mir der Atem stockte. Die Erde war eine große schwarze Scheibe, die die Sterne verdunkelte, aber an ihrem Rand glühte ein halbmondförmiger goldener Schein von lodernder Pracht. Ich blickte auf die Grenzlinie des Sonnenunterganges, die sich Tausende von Meilen weit über Afrika hinauszog. In ihrer Mitte sah ich einen golden schimmernden Bogen – dort, wo die Sonne noch ein wenig über den Horizont hinwegschaute. Er verblasste und verging, und der purpurne Nachglanz des Sonnenunterganges zog über den Horizont, bis auch dieses Glühen verschwand. Das ganze
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