Inseln im All -: Roman (German Edition)
Schauspiel dauerte nicht länger als zwei Minuten, und die Männer, die ringsum arbeiteten, hatten sich überhaupt nicht darum gekümmert. Ich konnte das verstehen; schließlich gewöhnt man sich nach einiger Zeit auch an den herrlichsten Anblick, wenn man ihn immer wieder erlebt – und die Station kreiste so schnell um die Erde, dass alle hundert Minuten ein Sonnenuntergang geschah.
Es war nicht völlig dunkel; ein bleicher Halbmond strahlte, wenn auch nicht heller, als man ihn von der Erde aus sah. Aber der Himmel war außerdem mit Millionen von Sternen übersät; sie alle glänzten in einem klaren, ruhigen Licht, ohne zu flimmern. Es waren so viel Sterne am Himmel, dass ich mich fragte, wie man überhaupt von der »Schwärze« des Weltraums reden konnte.
Ich war so eifrig damit beschäftigt, nach den anderen Planeten Ausschau zu halten – ohne sie zu finden –, dass ich es gar nicht bemerkte, als Tim zurückkehrte, bis sich plötzlich mein Zugseil straffte. Langsam bewegten wir uns wieder auf die Mitte der Station zu. Das Schweigen war so vollkommen, dass es mir unwirklich vorkam. Ich schloss eine Minute lang meine Augen, aber das Bild hatte sich nicht geändert, als ich sie wieder öffnete. Dort unten hing die riesige schwarze Scheibe der Erde – nein, nicht ganz schwarz war sie, ich konnte die Ozeane im Mondlicht schimmern sehen. In dem gleichen silbernen Schein vor uns glitzerten die schlanken Verstrebungen der Station wie die Fäden eines gespenstischen Spinnennetzes. Es war ein Netz, das statt Tautropfen Myriaden von Sternen trug.
In diesem Augenblick wurde mir erst richtig klar, dass ich nun wirklich draußen im Weltraum war, und ich wusste, dass ich von jetzt an alles in meinem Leben mit anderen Augen ansehen würde.
3
»Weißt du eigentlich, was uns auf der Station Vier die meisten Scherereien gemacht hat?«, fragte Norman Powell.
»Nein«, antwortete ich – so wie man es von mir auch erwartete.
»Mäuse«, erklärte er mit wichtiger Miene, »ob du es nun glaubst oder nicht! Einige dieser kleinen Biester sind uns aus den Biologielaboratorien entwischt, und ehe wir uns dessen versahen, hatten sie sich schon in der ganzen Station verbreitet.«
»Ich glaube dir kein Wort davon«, sagte Ronald Jordan.
»Sie waren so klein, dass sie sich in den Luftschachtröhren verkriechen konnten«, fuhr Norman unbeirrt fort. »Man brauchte nur sein Ohr an die Wand zu legen, und man konnte sie herumlaufen hören. Sie brauchten sich nicht einmal Löcher zu nagen, denn in jedem Raum gab es ja schon ein Dutzend davon, und ihr könnt euch denken, wie sie unserer Luftversorgungsanlage mitspielten. Aber schließlich haben wir sie doch erwischt – und wisst ihr, wie wir das gemacht haben?«
»Ihr habt euch ein paar Katzen ausgeborgt«, sagte Ron.
Norman blickte Ron geringschätzig an.
»Na ja, das wurde tatsächlich versucht, aber Katzen mögen die Schwerelosigkeit nicht besonders. Sie haben uns nichts genützt; die Mäuse haben sie einfach ausgelacht. Nein – wir besorgten uns Eulen! Ihr hättet sie fliegen sehen sollen. Ihre Flügel funktionierten natürlich genauso gut wie sonst auch, aber die Schwerelosigkeit erlaubte es ihnen, ganz phantastische Kapriolen zu drehen. Es dauerte nur ein paar Monate, und wir waren die Mäuseplage los.« Er seufzte. »Unser nächstes Problem war natürlich, die Eulen loszuwerden. Das haben wir folgendermaßen …«
Ich erfuhr nie, wie sie es gemacht hatten; denn die anderen hatten endlich genug von Normans Weltraumlatein und stürzten sich wie auf Verabredung alle lachend auf ihn. Er verschwand in einem sich langsam drehenden Knäuel von Körpern, der lärmend durch das Zimmer trieb. Nur Tim Benton, der sich nie in solche vulgäre Balgereien verwickeln ließ, blieb ruhig auf seinem Platz sitzen und las weiter.
Jeden Tag versammelten sich die Auszubildenden in dem Klassenzimmer, um sich dort einen Vortrag von Kommandant Doyle oder einem der technischen Offiziere der Station anzuhören. Der Kommandant hatte mir vorgeschlagen, am Unterricht teilzunehmen – und ein »Vorschlag« von ihm galt hier nicht viel weniger als ein Befehl. Er war der Ansicht, dass ich dabei ein paar nützliche Kenntnisse erwerben könnte, und damit hatte er natürlich durchaus recht; freilich verstand ich nur etwa ein Drittel von dem, was in diesen Stunden erzählt wurde. Den Rest meiner Zeit verbrachte ich damit, einiges in den Büchern der Stationsbibliothek zu lesen.
Nach den Unterrichtsstunden
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