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Inseln im Netz

Titel: Inseln im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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eine Ecke von seinem Schreibtisch geschlagen hatte.
    Die anderen kamen zu ihnen an die Brüstung. Unterdessen hatten die Rebellen die Kühlerhaube weggehackt und den Motor zum Schweigen gebracht. Sie rissen die Türen heraus, hieben den Wagen buchstäblich in Stücke.
    Sie zerrten die verblüfften Polizisten heraus, schlugen sie nieder und brachten den Abgeordneten in ihre Gewalt.
    Dann aber war plötzlich ein Hubschrauber über ihnen.
    Tränengaskanister fielen und zerplatzten, hüllten den Schauplatz in sich ausbreitende Wolken. Die Rebellen spritzten auseinander. Ein stämmiger Bursche, der eine Schnorchelbrille trug, brachte ein gestohlenes Fesselgewehr in Anschlag und feuerte Plastikstreifen nach oben. Sie klatschten harmlos gegen Bauch und Fahrgestell des Hubschraubers, um sich dort netzförmig auszubreiten und zu verfestigen, doch sie konnten der Maschine nichts anhaben, und sie stieg außer Reichweite.
    Weiteres Sirenengeheul, und drei unterstützende Streifenwagen rasten über die Kreuzung, hielten mit kreischenden Bremsen vor dem zerschlagenen Fahrzeug. Junge Burschen rannten gebückt vom Wrack fort, gestohlene Fesselmunition und Kanister in den Händen. Einige trugen Schutzbrillen, die ihnen ein unheimliches, entmenschlichtes Aussehen verliehen. Ihre Atemmasken schienen gegen das Tränengas zu helfen.
    Türen flogen auf, und Polizisten in voller Sonderausrüstung sprangen heraus: Schutzhelme mit Visier, Schlagstöcke, Fesselgewehre und Gasmasken. Die Rebellen suchten in den umliegenden Gebäuden Deckung. Die Polizisten berieten, zeigten auf einen Eingang, bereit, das Haus zu stürmen.
    Plötzlich gab es eine dumpfe Explosion im Wrack des ersten Streifenwagens. Die Sitze spuckten Flammen.
    Ein paar Augenblicke später explodierte der Tank, und eine Säule aus schwarzem, von Feuer durchschossenem Qualm erhob sich über die Hafenfront.
    Ali schrie etwas und streckte den Arm aus. Ein halbes Dutzend Rebellen waren einen halben Block vom Schauplatz entfernt wieder zum Vorschein gekommen. Sie schleppten einen bewußtlosen Polizisten durch ein Rattenloch in der Seite eines Lagerhauses. Sie hatten mit ihren Macheten eine Öffnung durch die Mauersteine geschlagen.
    »Sie haben Parangs!« sagte er mit einem Ausdruck von Entsetzen, in den sich freudige Genugtuung mischte. »Die magischen Kung-Fu-Schwerter!«
    Die Polizisten, gerade ein Dutzend Mann stark, konnten sich nicht entschließen, in die Häuser einzudringen. Kein Wunder. Laura konnte sich vorstellen, wie sie mutig hineinstürmten, vor sich die Trichtermündung eines Fesselgewehrs, nur um einen jähen Schmerz zu verspüren, vornüber zu fallen und zu entdecken, daß ihm irgendein rattengesichtiger kleiner Anarchist hinter der Tür gerade das Bein am Knie abrasiert hatte… Diese verfluchten Macheten! Sie waren wie Laser! Was für ein kurzsichtiger, verantwortungsloser Kerl hatte diese Dinger erfunden?
    Sie fröstelte, als die Implikationen sich mehrten… All dieses alberne, theatralische Kung Fu, die blödsinnigste Idee der Welt, daß bornierte Schwertfechter ohne Panzer oder Schußwaffen modernen Polizisten oder ausgebildeten Soldaten standhalten könnten… Nein, die Rebellen konnten es im offenen Kampf nicht mit den Polizisten aufnehmen, aber im Häuserkampf, von einem Zimmer zum anderen, mit durchlöcherten Wänden, konnten sie sicherlich plötzliche Überfälle durchführen und sich ebenso schnell zurückziehen.
    Laura begriff, daß es hier nicht ohne Todesopfer abgehen würde. Sie waren zu allem entschlossen. Razak schreckte vor nichts zurück. Menschen würden sterben…
    Die Polizisten bestiegen wieder ihre Streifenwagen. Sie zogen sich zurück. Niemand kam heraus, ihnen nachzuschreien oder höhnische Gebärden zu machen, und irgendwie war es schlimmer, daß sie es nicht taten.
    Die Rebellen waren anderswo geschäftig am Werk. Überall entlang der Hafenfront stieg Rauch auf. Schwarzer, fettig brodelnder Rauch, vom Monsun wie gebrochene Finger landeinwärts gedrückt. Es mochte kein Fernsehen geben, keine Telefone, aber nun würde ganz Singapur wissen, daß der Teufel los war. Rauchsignale wirkten noch immer. Und ihre Botschaft war offensichtlich.
    Am Hafenkai hinter der Rizome-Niederlassung übergossen drei Aktivisten einen Haufen gestohlener Lastwagenreifen mit Benzin aus einem Kanister. Sie wichen zurück und warfen eine angezündete Zigarette. Der unordentliche Haufen ging mit einem dumpfen Schlag in Flammen auf, und die Reifen sprangen wie

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