Inseln im Netz
Premierminister Jeyaratnam zur Rechtfertigung der Verhängung des Kriegsrechtes gedient. Er hatte die Bevölkerung über den Regierungskanal gewarnt und sie in ihren Häusern eingesperrt.
Im Anschluß an die Nachrichtensendung klatschte Suvendra in die Hände, und während ein junges Mädchen vor dem Fernseher blieb, um die weitere Entwicklung zu verfolgen, ergriffen die anderen sich bei den Händen und sangen die Rizome-Hymne auf malayisch. In der bedrohlichen Stille, die über der Stadt lag, vermittelten ihnen die im gemeinsamen Gesang erhobenen Stimmen ein gutes Gefühl. Es ließ Laura fast vergessen, daß die Beschäftigten der Rizome-Nieder- lassung jetzt Flüchtlinge waren, die sich auf das Dach ihres eigenen Hauses gerettet hatten.
»Ich bin der Meinung«, sagte Suvendra, »daß wir getan haben, was wir können. Die Regierung hat das Kriegsrecht verhängt, und wir müssen mit gewalttätigen Auseinandersetzungen rechnen. Möchte jemand von uns gegen die Regierung kämpfen? Ich bitte um Handzeichen.«
Niemand stimmte für Gewalt. Sie hatten bereits mit den Füßen abgestimmt, indem sie aufs Dach geflüchtet waren.
»Könnten wir nicht die Stadt verlassen?« fragte Ali.
»Auf dem Seeweg?« fügte Dervit hinzu.
Sie blickten über den Hafen hinaus: Die vor Anker liegenden Frachter, die stillgelegten Kräne und Laderoboter, deren Steuerzentrale von den Rebellen der Opposition besetzt war. Draußen auf See waren die rasch dahingleitenden Gischtfahnen patrouillierender Tragflügelboote der Marine zu sehen.
»Das ist nicht Grenada. Sie lassen niemanden hinaus«, sagte Mr. Suvendra. »Sie würden auf uns schießen.«
»Das meine ich auch«, sagte seine Frau. »Aber wir könnten unsere Festnahme verlangen. Durch die Regierung.«
Die anderen schauten mißmutig drein.
»Hier sind wir Radikale«, sagte Suvendra. »Wir sind wirtschaftliche Demokraten unter einer autoritären Regierung.
Wir verlangen eine Reform des Systems, aber die Chance ist vorläufig vertan. Also ist das Gefängnis der geeignete Ort für uns in Singapur.«
Lange, nachdenkliche Stille. Von der See rollte dumpf Monsundonner herüber.
»Die Idee gefällt mir«, sagte Laura.
Ali zog an seiner Unterlippe. »Im Gefängnis sind wir sicher vor Wodu-Terroristen.«
»Außerdem ist die Gefahr geringer, daß die Armee uns aus Versehen totschießt.«
»Wir müssen für uns entscheiden. Wir können nicht Atlanta fragen«, sagte Suvendra.
Eine Diskussion kam in Gang. »Aber vom Gefängnis aus können wir nichts bewirken.«
»Doch, wir können. Die Regierung in Verlegenheit bringen! Das Kriegsrecht kann nicht von Dauer sein.«
»Hier sind wir sowieso zur Untätigkeit verdammt«.
Von den Straßen drangen Schreie herauf. »Ich gehe nachsehen«, sagte Laura und stand auf.
Sie ging über das heiße Flachdach zur Brüstung. Jetzt ertönte eine Polizeisirene, und einen Augenblick lang konnte sie den Wagen zwei Blocks entfernt sehen: einen rotweißen Streifenwagen, der vorsichtig eine verlassene Kreuzung überfuhr. Er hielt vor einer primitiven Straßenbarrikade.
Ali kam zu ihr. »Wir haben abgestimmt«, sagte er. »Die Mehrheit ist für Gefängnis.«
»Gut.«
Ali beobachtete den Streifenwagen, lauschte seiner Lautsprecherdurchsage. »Es ist Mr. Bin Awang«, sagte er. »Der malayische Abgeordnete von Bras Basah.«
»Ach ja«, sagte Laura. »Ich erinnere mich an ihn von der Anhörung.«
»Kapitulationsaufforderung. Geht friedlich nach Hause zu euren Familien, sagt er.«
Rebellen kamen aus den Durchfahrten und Hauseingängen. Sie schlenderten auf den Streifenwagen zu, lässig, furchtlos. Laura sah, wie sie dem Fahrer hinter dem kugelsicheren Glas mit Gesten bedeuteten, er solle umkehren und wegfahren. Befreites Territorium, für Polizisten verboten…
Der auf das Dach montierte Lautsprecher wiederholte die Aufforderung.
Einer der Burschen begann eine Losung auf die Kühlerhaube zu sprühen. Der Streifenwagen antwortete mit zornigem Sirenengejaul und begann sich zurückzuziehen.
Auf einmal zogen die Rebellen Waffen hervor, schwere Macheten, die sie in Händen und Hosen verborgen hatten und mit denen sie nun wütend auf die Reifen und Türscharniere des Streifenwagens einhackten. So unglaublich es scheinen mochte, das Stahlblech gab nach, mit gequältem metallischem Kreischen, das im weiten Umkreis hörbar war…
Laura war entsetzt. Die Rebellen verwendeten die gleichen tödlichen Keramikmacheten, die sie in Grenada gesehen hatte, mit der Dr. Prentis
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