Inseln im Netz
drei oder vier Passagieren Platz bieten.
Er unternahm keinen Landeversuch. Wenige Sekunden später stieg er wieder auf und schwenkte in einem eleganten Bogen nordwärts ab.
»Sie sollten sich beeilen«, sagte Suvendra mit einem Blick zur Monsunfront. »Es zieht ein Unwetter auf!«
Sie legten ihr SOS-Laken zusammen, falls die Rebellen heraufkommen und nach dem Rechten sehen sollten. Verhandlungen mit ihnen oder der ALP waren eine Möglichkeit, aber in der Beratung hatte Suvendra darauf gedrungen, sie nicht zu forcieren. Die Rebellen hatten bereits die Niederlassung besetzt und geplündert; gerade so leicht könnten sie das Rizome-Personal gefangensetzen und zu Geiseln machen. Daß sie keinerlei Hemmungen hatten, bewies das Schicksal der beiden Streifenpolizisten und des Abgeordneten, die sie entführt hatten.
Wieder vergingen zwanzig nervenaufreibende Minuten erzwungener Untätigkeit, während im Viertel eine gespannte, trügerische Stille herrschte, die niemanden täuschen konnte. Die Sonne stieg über die Monsunfront, und tropischer Vormittag brannte über der schweigenden Stadt. Es ist unheimlich, dachte Laura - eine Millionenstadt ohne Menschen.
Ein anderer Hubschrauber, größer und mit zwei Rotoren, näherte sich mit pfeifenden Triebwerken der Hafenfront. Er drehte sich auf der Stelle und schwebte über der menschenleeren Hälfte des Daches. Eine Klappe im Boden öffnete sich, und drei schwarzbekleidete Männer sprangen heraus. Der Hubschrauber stieg wieder auf.
Die drei Männer standen einen Augenblick beisammen und brachten ihre Ausrüstung in Ordnung, dann kamen sie näher. Sie trugen schwarzen Drillich, schwarze Stiefel, breite schwarze Textilgurte mit Messingkarabinern, Handgranaten, Munitionstaschen und Waffenhalftern. In den Händen hielten sie kurzläufige, geheimnisvoll aussehende Maschinenpistolen.
»Guten Morgen, beisammen«, sagte der Anführer in munterem Ton. Er war ein großer, rotgesichtiger Engländer mit kurzgeschnittenem weißem Haar, einer blaurotgeäderten Nase und einem permanenten tropischen Sonnenbrand. Er sah ungefähr um die Sechzig aus, schien jedoch für sein Alter verhängnisvoll gut erhalten. Blutwäsche? dachte Laura.
»Morgen…« murmelte jemand.
»Hotchkiss ist mein Name. Oberst Hotchkiss, Kommandoeinheit für Sonderaufgaben. Dies sind die Oberleutnants Lu und Aw. Wir sind zu Ihrer Sicherheit hier, meine Damen und Herren. Also machen Sie sich keine Sorgen.« Hotchkiss zeigte ihnen zwei weiße Zahnreihen.
Er war riesig. Einsfünfundneunzig groß, mindestens hundertzwanzig Kilo schwer. Arme wie Baumstämme. Laura hatte fast vergessen, wie groß Europäer sein konnten. Mit seinen dicken schwarzen Stiefeln und der schweren, bedrohlich aussehenden Ausrüstung war er wie von einer anderen Welt. Hotchkiss nickte ihr zu, ein wenig überrascht. »Ich kenne Sie vom Fernsehen, Mädchen.«
»Die Anhörungen?«
»Ja. Ich habe…«
Mit einem plötzlichen metallischen Krachen flog die Stahlblechtür zum Dach auf. Eine brüllende Bande jugendlicher Rebellen quoll heraus, Bambusstöcke in den Händen.
Mit einer schnellen Körperdrehung aus der Hüfte brachte Hotchkiss die Maschinenpistole in Anschlag und eröffnete das Feuer auf den Ausstieg. Der Feuerstoß machte einen nervenzerfetzenden Lärm. Zwei Rebellen wurden von den einschlagenden Geschossen rücklings zu Boden geschleudert, die anderen flohen kreischend die Treppe hinunter. Die Rizome-Leute lagen plötzlich alle auf dem Dach und krallten die Finger entsetzt in die kiesbedeckte Oberfläche.
Lu und Aw traten die Tür zu und feuerten aus einem Fesselgewehr eine Ladung gegen den Türpfosten, der sie versiegelte. Sie zogen dünne Plastikschleifen aus den Gürteln und fesselten die zwei gefallenen, keuchenden Rebellen. Dann setzten sie sie aufrecht.
»Okay, okay«, sagte Hotchkiss zu den anderen und wedelte mit der fleischigen Hand. »Nur Geleekugeln. Sehen Sie? Kein Problem.« Die Rizome-Gruppe erhob sich langsam. Als ihnen die Wahrheit aufging, gab es nervöses, verlegenes Gekicher. Die zwei Rebellen, blutjunge Burschen, waren von der Garbe quer über die Oberkörper getroffen worden, und in ihren Papierhemden gähnten Löcher. Die Haut darunter zeigte faustgroße Flecken unauslöschlicher purpurner Farbe.
Hotchkiss half Laura kavaliersmäßig auf die Beine. »Geleekugeln töten nicht«, verkündete er. »Haben aber trotzdem eine hübsche Wucht.«
»Sie haben uns mit Maschinengewehr beschossen!« sagte einer der
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