Inseln im Netz
der Leutnant vor. »Würde wahrscheinlich zwei, drei Wochen dauern, bis sie gefunden wird.«
»Besonders, wenn wir die Einlieferung nicht zu den Akten geben«, sagte der Polizist mit dem Reiskuchen. Er lachte durch die Nase.
»Wenn Sie mir damit Angst einjagen wollen, tun Sie es nur!« bluffte Laura. »Ich könnte sowieso nicht hinaus. Das Kriegsrecht besteht fort, und der Flughafen ist geschlossen.«
Sie fuhren über die Clemenceau-Brücke. Sie wurde von Panzern bewacht, aber der Streifenwagen konnte ohne Aufenthalt durchfahren.
»Keine Sorge«, sagte der Hauptmann. »Um Laura Webster loszuwerden, ist kein Opfer zu groß!«
Und er brachte sie zur Yung Soo Chim Islamischen Bank.
Es war eine unheimliche Reprise. Sie waren alle auf dem Dach des Bankgebäudes versammelt, das Personal von Yung Soo Chim und eine beträchtliche Zahl assoziierter Geschäftemacher, Datenhaie und Schmarotzer. Sie standen und saßen zwischen dem stachligen weißen Wald der Mikrowellenantennen und den fettigen, regenfleckigen Satellitenschüsseln.
Laura hatte ihren Kopf in den Sari gewickelt und trug eine spiegelnde Sonnenbrille, die sie Hauptmann Hsiu abgebettelt hatte. Der Anblick des Streifenwagens, dem sie entstiegen war, hatte den privaten Sicherheitsbeamten genügt; um sie in die Bank einzulassen, wo die Reißwölfe an der Arbeit waren und einen Geruch wie von frischgemähtem Heu verbreiteten. Der Rest war leicht gewesen. Niemand überprüfte Ausweise - sie hatte keinen, auch kein Gepäck.
Niemand behelligte sie - anscheinend hielt man sie für jemandes Geliebte, oder vielleicht für eine exotische Geschäftsfrau aus hoher Hindukaste. Erfuhren die Piraten, daß sie hier unter ihnen weilte, konnte es unangenehm werden. Aber Laura wußte mit sicherem Gespür, daß sie ihr nichts antun würden. Nicht hier, nicht jetzt, nicht nach allem, was sie durchgemacht hatte.
Sie fürchtete sich nicht. Sie fühlte sich jetzt kugelfest, unbezwingbar, voll von Elektrizität. Sie wußte jetzt, daß sie stärker war als diese Leute. Ihre Leute hatten die stärkeren Bataillone. Sie konnte im Tageslicht gehen, aber diese konnten es nicht. Sie hatten geglaubt, die Welt mit ihren verbrecherischen Verschwörungen überziehen zu können, hatten gedacht, sie hätten Zähne, aber ihre Knochen waren aus Glas.
Der kriminellen Organisation fehlte es einfach am Gemeinschaftsgefühl. Sie waren Ganoven, Treibgut, und es gab nichts, was sie zusammenhielt, kein grundlegendes Vertrauen. Sie hatten sich unter der schützenden Hand der Regierung von Singapur versteckt, und nun, da diese Hand von ihnen genommen war, hatte die Bank ihre Sicherheiten eingebüßt; sie konnte nicht in der alten Weise weiterarbeiten. Es würde sie Jahre kosten, die Organisation wieder aufzubauen, wenn die Beteiligten es versuchen wollten, und die Zeitströmung war gegen sie. Dieser Ort und seine Träume, sagte sich Laura, hatte ausgespielt; die Zukunft lag anderswo.
Wie sie mit diesem Abenteuer würde prahlen können! Wie sie sich inmitten der Bankenhaie und Datenpiraten aus Singapur davongemacht hatte. In kurzen Abständen landeten und starteten Doppelrotor-Transporthubschrauber der Streitkräfte von Singapur auf dem Dachlandeplatz. Zwei bis drei Dutzend Flüchtlinge kletterten an Bord und verschwanden im bleiernen Monsunhimmel.
Die anderen warteten wie Krähen an der umlaufenden Brüstung und den Betonverankerungen der Mikrowellentürme. Einige standen um tragbare Fernsehgeräte und verfolgten Jeyaratnams Ansprache auf Kanal Zwei. Er sah übermüdet und grau aus, zitierte aus der Verfassung und den Bestimmungen des Kriegsrechtes, die er als segensreich für die Bevölkerung hinstellte, und forderte die Bürger auf, in ihre Häuser zurückzukehren.
Laura umrundete einen Gepäckwagen, auf dem sich prall gefüllte reißfeste Koffer aus braunem und gelbem Synthetikmaterial türmten. Drei Männer saßen auf der anderen Seite des Wagens, hatten die Ellbogen auf den Knien und verfolgten ein Fernsehprogramm. Zwei Japaner und ein Anglo, alle drei in gestärkten neuen Safarianzügen und Buschhüten.
Sie sahen Kanal Vier, und es gab ›Auf Sendung - Für die Menschen‹, eine Informationssendung, in der Miss Ting, Kims alte Flamme, als stotternde, errötende Moderatorin auftrat.
Laura beobachtete und lauschte aus diskreter Distanz. Sie empfand eine seltsame Verbundenheit mit Miss Ting, die offensichtlich durch ein seltsam synchrones Geschick in ihre gegenwärtige Lage geraten war.
So war
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