Inseln im Netz
sagte sie.
»Mrs. Webster«, erklärte der Polizeioffizier, dessen Namensschild ihn als Hauptmann Hsiu auswies, »Sie sind wegen Anstiftung zum Aufruhr und Behinderung der Vollzugsorgane festgenommen.«
»In Ordnung«, atmete Laura auf. »Wissen Sie, was mit dem Rest der Rizome-Leute geschehen ist?«
»Sie sind auch in Gewahrsam. Die Hubschrauber haben sie geholt.«
Laura nickte eifrig, dann merkte sie auf. »Ahmm… sie sind nicht in Changi, oder?«
»Gegen Changi ist nichts einzuwenden!« sagte der Hauptmann in gereiztem Ton. »Hören Sie nicht auf die Lügen der Globalisten.«
Sie fuhren langsam die Pickering Street hinauf, in der sich die Schönheitssalons und Etablissements für kosmetische Chirurgie drängten. Die Gehsteige waren voll grinsender, feixender Übertreter des Ausgehverbotes, aber sie hatten noch nicht daran gedacht, die Straße zu sperren. »Ihr Ausländer«, knurrte der Hauptmann, »habt uns betrogen. Singapur hätte eine neue Welt errichten können, aber ihr habt unseren Führer vergiftet, uns beraubt und auch noch Zwietracht und Aufruhr gesät.«
»Grenada hat Kim vergiftet.«
Hauptmann Hsiu schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht an Grenada.«
»Und die Unruhen sind von Ihren eigenen Landsleuten ausgegangen«, sagte Laura. »Jedenfalls wurden Sie nicht überfallen.«
Der Hauptmann sah sie aus seinen Schlitzaugen von der Seite an. »Überfallen vielleicht nicht, aber überlaufen. Wußten Sie es nicht?«
Sie war sprachlos. »Was? Wien hat internationale Einheiten geschickt?«
»Nein«, sagte einer von den Rücksitzen. »Es ist das Rote Kreuz.«
»Das Rote Kreuz?« wiederholte sie verblüfft. »Die Gesundheitsorganisation?«
»Niemand schießt auf das Rote Kreuz, nicht wahr?« sagte Hauptmann Hsiu. »Sie kamen von Johore herüber, ein paar Kolonnen. Sie sind in Ubin und Tekong und Sembawang. Hunderte von Leuten.«
»Mit Verbandzeug und medizinischen Geräten«, sagte der Reiskuchen essende Polizist. »›Zivile Katastrophenhilfe.‹« Er lachte.
»Sei still, du!« sagte der Hauptmann, und der Polizist schluckte sein Lachen hinunter.
»Ich habe nie gehört, daß das Rote Kreuz so etwas macht«, sagte Laura.
»Die Globalisten stecken dahinter, die Multis«, sagte Hauptmann Hsiu mit finsterer Miene. »Sie wollten Wien kaufen und Krieg gegen uns anzetteln. Aber das ist zu teuer und würde zu lange dauern. Also verfielen sie auf die Idee, das Rote Kreuz zu kaufen und uns mit Freundlichkeit zu überwältigen. Wir werden alle Mühe haben, sie wieder loszuwerden. Hoffentlich hat die Regierung den Mut, sie auszuweisen.«
Der Polizeifunk quakte aufgeregt. Eine Menschenmenge war in das Redaktionsgebäude des Vierten Fernsehkanals eingedrungen. Hauptmann Hsiu knurrte etwas Unfreundliches auf Chinesisch und schaltete aus. »Ich wußte, daß sie früher oder später die Fernsehanstalten überfallen würden«, sagte er. »Aber was sollen wir tun? Wir sind zu wenige, und die Regierung zögert noch, die Armee voll einzusetzen.«
»Morgen werden wir neue Befehle bekommen«, sagte der Leutnant. »Wahrscheinlich auch Gehaltserhöhungen. Arbeitsreiche Monate liegen vor uns.«
»Verräter«, sagte Hauptmann Hsiu ohne Leidenschaft.
Der Leutnant zuckte die Achseln. »Man muß leben.«
»Dann haben wir gewonnen?« platzte Laura heraus. Erst jetzt wurde es ihr in vollem Umfang bewußt. Schwoll in ihr an. All diese Verrücktheit und die Opfer - irgendwie hatte es gewirkt. Nicht ganz so, wie alle erwartet hatten, aber so war es mit der Politik. Es war vorbei. Das Netz hatte gewonnen.
»Scheint so«, sagte der Hauptmann. Er bog nach rechts ab in die Clemenceau Avenue.
»Dann wird es auch nicht viel Sinn haben, mich zu verhaften, nicht wahr? Der Protest ist jetzt bedeutungslos. Und wegen dieser Anklagen werde ich nie vor Gericht gestellt.« Sie lachte fröhlich.
»Vielleicht stecken wir Sie spaßeshalber in die Arrestzelle«, sagte der Leutnant. Ein Wagen voll junger Leute kam ihnen entgegen; einer beugte sich zum offenen Fenster heraus und ließ eine Flagge von Singapur wehen.
»Lieber nicht«, sagte der Hauptmann. »Dann müssen wir uns ihre moralisierenden Globalistenreden anhören.«
»Nein, nein!« sagte Laura hastig. »Ich werde von hier verschwinden, sobald ich kann, zurück zu meinem Mann und meinem Kind.«
Hauptmann Hsiu hielt inne. »Sie wollen Singapur verlassen?«
»Lieber heute als morgen! Glauben Sie mir.«
»Wir könnten sie trotzdem ins Untersuchungsgefängnis bringen«, schlug
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