Inseln im Netz
Stimme.
»Eine vorbereitete Erklärung, selbstverständlich. Wir können nicht zulassen, daß Sie unsere Atomgeheimnisse über eine offene Telefonverbindung nach Atlanta ausplaudern.
Aber Sie könnten eine Videoaufzeichnung machen. Die wir für Sie veröffentlichen würden.«
Ihr Magen zog sich zusammen. »Zuerst müßte ich die Erklärung sehen. Und lesen. Und darüber nachdenken.«
»Tun Sie das! Denken Sie darüber nach!« Er berührte sein Uhrtelefon, sprach auf französisch. »Lassen Sie uns Ihre Entscheidung wissen.«
Ein Wärter trat ein. Er führte sie in eine andere Zelle. Diesmal verzichteten sie auf das Anlegen der Handschellen.
Lauras neue Zelle war von der gleichen Länge wie die erste, enthielt aber zwei Pritschen und war anderthalb Schritte breiter. Laura war nicht mehr gezwungen, Handschellen zu tragen. Sie bekam ihren eigenen Nachttopf und einen größeren Wasserkrug. Es gab mehr Scop, und der Hirsebrei war von besserer Qualität und enthielt manchmal Stücke von Speck aus Sojabohnen.
Sie gaben ihr ein Kartenspiel und eine broschürte Bibel, die von der Mission der Zeugen Jehovas in Bamako 1992 verteilt worden war. Sie bat um einen Bleistift, um Notizen für ihre Erklärung zu machen. Darauf erhielt sie ein Schreibgerät für Kinder, mit einem ausklappbaren kleinen Bildschirm. Es ließ sich sehr sauber darauf tippen, doch gab es keine Ausdruckstation, und das Gerät eignete sich nicht zur Abfassung schriftlicher Geheimbotschaften.
Unter ihrer neuen Zelle waren die Schreie lauter. Mehrere verschiedene Stimmen und, wie sie meinte, auch verschiedene Sprachen waren zu unterscheiden. Die Schreie dauerten mit kurzen Unterbrechungen etwa eine Stunde. Dann gab es eine Kaffeepause für die Folterer. Und dann gingen sie wieder an die Arbeit. Laura vermutete, daß es mehrere verschiedene Folterer geben mußte. Ihre Gewohnheiten differierten. Einer von ihnen spielte während seiner Pausen gern stimmungsvolle französische Chansons.
Eines Nachts wurde sie von einer gedämpften Salve Maschinengewehrfeuer geweckt. Ihr folgten nach kurzer Zeit fünf Gnadenschüsse. Sie hatten Leute hingerichtet, aber nicht die Leute, die gefoltert wurden, wie es schien, denn am nächsten Tag waren zwei von ihnen wieder da.
Sie benötigten zwei Wochen, um ihre Erklärung abzufassen und Laura vorzulegen. Sie war schlimmer, als sie sich vorgestellt hatte. Sie sollte Rizome und der Welt erklären, daß sie in Singapur von den Grenadinern entführt worden sei und im unterirdischen Tunnelkomplex von Fedons Festung gefangengehalten werde. Es war ein lächerlicher Entwurf; sie hatte den Eindruck, daß der Verfasser ein Ausländer war, für den englisch eine Fremdsprache war. Teile des Textes erinnerten sie an das FAKT-Kommunique, das nach der Ermordung Winston Stubbs' herausgegeben worden war.
Sie zweifelte nicht mehr daran, daß die FAKT Winston Stubbs getötet und dabei ihr Haus unter Feuer genommen hatte. Es war offensichtlich. Die ferngesteuerte Methode sprach dafür. Es konnte nicht Singapur gewesen sein. Singapurs Kommandoeinheiten, Soldaten wie Hotchkiss, hätten Stubbs ohne viel Umstände irgendwo niedergeschossen und sich nachher nicht damit gebrüstet.
Sie mußten die Drohne irgendwo von einem Überwasserschiff gestartet haben. Sie konnte nicht von ihrem U-Boot gekommen sein - es sei denn, sie besaßen mehr als eines - ein schrecklicher Gedanke. Das U-Boot konnte nicht schnell genug gewesen sein, um während der Zeit ihres Abenteuers Galveston, Grenada und Singapur anzugreifen. (Sie betrachtete es bereits als ihr Abenteuer - etwas, das vorüber war, das in ihrer Vergangenheit lag, vor der Gefangenschaft.) Aber Amerika war ein offenes Land, und viele Angehörige der FAKT waren Amerikaner.
Laura glaubte jetzt, daß sie jemanden - einen Agenten, einen Vertrauensmann, einen ihrer Henderson/Hesseltines - bei Rizome hatten. Es würde ihnen ein leichtes sein, nicht wie in Singapur. Der Betreffende brauchte bloß ordentliche Zeugnisse vorzulegen, fleißig zu arbeiten und zu lächeln.
Sie weigerte sich, die vorbereitete Erklärung vor einer Videokamera zu verlesen. Der Inspektor der Haftanstalten sah sie mißmutig an. »Sie glauben wirklich, dieser Trotz könne etwas bewirken?«
»Die Erklärung ist Desinformation. Sie ist schwarze Propaganda, eine Provokation, die darauf abzielt, daß in Grenada noch mehr Menschen getötet werden. Damit will ich nichts zu tun haben.«
»Schade. Ich hatte gehofft, Sie könnten Ihren
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