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Inseln im Netz

Titel: Inseln im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Angehörigen einen Neujahrsgruß schicken.«
    »Ich habe meine eigene Erklärung geschrieben«, sagte Laura. »Sie erwähnt weder Sie noch Mali, die FAKT oder Ihre Atomwaffen. Sie sagt nur, daß ich am Leben bin, und enthält ein paar Worte, die mein Mann wiedererkennen wird, um ihm zu zeigen, daß ich wirklich die Verfasserin bin.« .
    Der Inspektor lachte. »Möchten Sie uns für dumm verkaufen, Mrs. Webster? Meinen Sie, wir würden zulassen, daß Sie Geheimbotschaften versenden, die Sie mit Ihrem… ah… weiblichen Einfallsreichtum in wochenlanger Arbeit in Ihrer Zelle ausgebrütet haben?«
    Er steckte die vorbereitete Erklärung in eine Schreibtischschublade. »Sehen Sie, ich habe das nicht abgefaßt. Ich habe die Entscheidung nicht getroffen. Ich persönlich halte diese Erklärung nicht für besonders großartig. Da ich Wien kenne, würde sie eher dazu führen, daß die Wiener Abgesandten sich auf Zehenspitzen in diesen Termitenbau unter Fedons Festung begeben, statt ihn in Grund und Boden zu bombardieren, wie sie es schon vor Jahren hätten tun sollen.« Er zuckte die Achseln. »Aber wenn Sie Ihr Leben ruinieren, von den Behörden für tot erklärt und vergessen werden wollen, dann tun Sie es von mir aus.«
    »Ich bin Ihre Gefangene! Tun Sie nicht so, als sei es meine Entscheidung.«
    »Seien Sie nicht albern! Wenn es um ernsthafte Dinge ginge, könnte ich Sie dazu zwingen.«
    Laura schwieg.
    »Sie wähnen sich stark, nicht wahr?« Der Inspektor schüttelte den Kopf. »Sie denken, daß es so etwas wie eine romantische moralische Gültigkeitserklärung wäre, wenn wir darauf verfielen, Sie zu foltern. Folter ist nicht romantisch, Mrs. Webster. Sie ist ein Prozeß: Folter ist Folter, das ist alles. Sie macht niemanden edler. Sie zerbricht einen nur. Wie eine Maschine versagt, wenn man sie zu lange zu schnell, zu rücksichtslos antreibt. Es gibt niemals eine wirkliche Heilung, man kommt nie wirklich darüber hinweg. Genausowenig wie man das Altwerden überwindet.«
    »Ich will nicht verletzt werden. Geben Sie nicht vor, ich wollte es.«
    »Werden Sie die alberne Erklärung verlesen? Sie ist nicht so wichtig. Sie sind nicht so wichtig.«
    »Sie töteten einen Mann in meinem Haus«, sagte Laura. »Sie töteten Menschen um mich herum. Sie töten Menschen in diesem Gefängnis. Ich weiß, daß ich nicht besser bin als diese Menschen. Ich glaube nicht, daß Sie mich jemals werden gehen lassen, wenn Sie es verhindern können. Warum also töten Sie mich nicht auch?«
    Er schüttelte seufzend den Kopf. »Natürlich werden wir Sie gehen lassen. Wir haben keinen Grund, Sie länger hier festzuhalten, sobald Sie kein Sicherheitsrisiko mehr darstellen. Wir werden nicht für immer im Verborgenen wirken. Eines Tages, sehr bald, hoffe ich, werden wir aus der erzwungenen Anonymität heraustreten können. Eines Tages werden Sie, Laura Webster, eine geachtete Bürgerin in einer großen neuen globalen Gesellschaft sein.«
    Ein langer Augenblick verging. Seine Worte waren an ihr vorbeigegangen, wie etwas am anderen Ende eines Fernrohrs. Schließlich sagte sie mit leiser Stimme: »Wenn Ihnen überhaupt daran liegt, dann hören Sie zu! Ich verliere den Verstand, allein in dieser Zelle. Ich möchte lieber tot sein als verrückt.«
    »Also soll es jetzt Selbstmord sein?« Er war onkelhaft, skeptisch, besänftigend. »Selbstverständlich haben Sie an Selbstmord gedacht. Jeder tut das. Aber sehr wenige setzen den Gedanken in die Tat um. Selbst Männer und Frauen, die in Todeslagern Schwerstarbeit verrichten, finden Gründe, weiterzuleben. Sie beißen sich niemals die eigene Zunge ab, reißen sich nicht die Pulsadern mit den Fingernägeln auf oder rennen mit dem Kopf gegen eine Wand, oder was dergleichen kindische Häftlingsphantasien mehr sind.« Seine Stimme wurde nachdrücklich. »Mrs. Webster, Sie befinden sich hier in der oberen Ebene. Sie sind in Sondergewahrsam. Glauben Sie mir, in den Elendsvierteln dieser Stadt gibt es ungezählte Männer und Frauen und sogar Kinder, die mit Freuden töten würden, um so leben zu können wie Sie!«
    »Warum lassen Sie mich dann nicht von ihnen töten?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich wünschte wirklich, Sie würden sich einsichtiger zeigen.«
    Er seufzte und sprach ins Uhrtelefon. Nach einer Weile kam ein Wärter und brachte sie in die Zelle zurück.
     
    Sie trat in den Hungerstreik. Drei Tage ließ man sie gewähren, dann schickte man ihr eine Zellengenossin.
    Es war eine Negerin, die kein

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