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Inseln im Netz

Titel: Inseln im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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was in Galveston geschah, dazu brauchten wir Sie nicht. Sie sind Geiseln, Laura. Sie, Ihr Mann, sogar das Baby. Geiseln für Rizome. Ihr Unternehmen ist genau zwischen zwei Feuern, und wenn es Singapur uns gegenüber begünstigt, wird die Bank Sie töten.«
    Laura befeuchtete sich die Lippen. »Sollte es zum Krieg kommen, werden viele unschuldige Menschen sterben.«
    »Man hat Sie für dumm verkauft. Ihr Unternehmen. Es schickte Sie hierher, obwohl es Bescheid wußte!«
    »In Kriegen werden Menschen getötet«, sagte Laura. »David und ich sind nicht so unschuldig wie manche anderen.«
    Er schlug mit einer Hand aufs Lenkrad. »Haben Sie keine Angst, Mädchen?«
    »Haben Sie Angst, Hauptmann?«
    »Ich bin Soldat.«
    Laura zwang sich zu einem Achselzucken. »Was hat das in einem Krieg zu bedeuten, der mit Terroraktionen geführt wird? Man hat in meinem Haus einen meiner Gäste ermordet. Vor mir und meinem Kind. Ich werde tun, was ich kann, um den oder die Täter zu fassen. Daß es gefährlich ist, weiß ich.«
    »Sie sind ein mutiger Feind«, sagte Sticky. Er bog in eine Nebenstraße ein, und sie fuhren durch ein elendes kleines Dorf mit rostigen Wellblechdächern und roter Erde. Die Straße stieg an und führte in Windungen ins gebirgige Innere. Für einen Augenblick brach Sonnenschein durch die Wolken, und der Schatten belaubter Äste sprenkelte die Windschutzscheibe.
    Aus einer Haarnadelkurve hoch an einem Hang sah Laura in der Ferne den Hafen der noch kolonial wirkenden Ortschaft Grand Roy - rote Ziegeldächer leuchteten verschlafen aus dem üppigen Grün, kleine weiße Säulen trugen vorgebaute Veranden, krumme, schmale Straßen führten auf und ab. Vor der Küste saß eine Bohrinsel wie eine Spinne vom Mars.
    »Sie sind ein Dummkopf«, sagte Sticky. »Sie versuchen irgendwelchen Propaganda-Scheiß zu lancieren, von dem Sie sich versprechen, daß er alle auf Freundlichkeit und gutes Benehmen verpflichten wird. Aber dies ist keine Mama-Papa-Yankee-Einkaufsstraße, wo Sie allen Leuten den Frieden wie Coca-Cola verkaufen können. Das kann nicht klappen… Aber ich bin nicht der Meinung, daß Sie wegen des Versuches sterben sollten. Das wäre nicht rechtschaffen.«
    Er gab einen Befehl, und der Milizionär griff hinter sich und reichte Laura eine Militärjacke und ein schwarzes, weites Gewand mit einer Art Kapuze. »Ziehen Sie die Sachen an«, sagte Sticky.
    Laura zog die Militärjacke über ihr Arbeitshemd. »Was ist das für ein Morgenmantel?«
    »Es ist ein Tschador. Islamische Frauen tragen so etwas. Sehr bescheiden… und er verbirgt das blonde Haar. Wo wir hinfahren, sind Spionageflugzeuge aufgetaucht. Ich will nicht, daß sie Sie sehen.«
    Laura grub sich in das Gewand und zog die Kapuze über den Kopf. Als sie in dem weiten Ding steckte, witterte sie Duftspuren der letzten Benutzerin - parfümierte Zigaretten und Rosenöl. »Es war nicht die Islamische Bank…«
    »Wir wissen, daß es die Bank ist. Jeden Tag haben sie Spionagemaschinen herübergeschickt, von Trinidad. Wir kennen die Pflanzung, von der die Maschinen starten, alles. Wir haben unsere eigenen Quellen - wir brauchen Sie nicht, um etwas zu erfahren.«
    Er deutete mit einem Kopfnicken zum Kartenfach. »Sie können Ihre Videobrille wieder aufsetzen. Ich habe alles gesagt, was ich sagen werde.«
    »Wir haben nicht die Absicht, Ihnen oder Ihren Leuten zu schaden, Sticky. Wir wünschen Ihnen nur Gutes.«
    Er seufzte. »Tun Sie es einfach.«
    Sie zog die Brille heraus. Emily kreischte ihr ins Ohr. (»Was tust du? Alles in Ordnung?«)
    »Alles in Ordnung, Emily. Laß mich ein bißchen faulenzen.«
    (»Sei nicht albern, Laura. Du schadest unserer Glaubwürdigkeit. Keine Geheimverhandlungen! Es sieht schlecht aus - als wollten sie dir etwas anhaben. Die Lage ist schwierig genug, und sie wird noch komplizierter, wenn die Leute glauben, daß du hinter ihrem Rücken Verhandlungen führst.«)
    »Wir fahren zu Fedons Camp«, sagte Sticky lauter als erforderlich. »Hören Sie zu, Atlanta? Julian Fedon war ein freier Farbiger. Seine Zeit war die Französische Revolution, und er predigte die Menschenrechte. Die Franzosen schmuggelten ihm Waffen ins Land, und er besetzte mit seinen Anhängern Plantagen, befreite die Sklaven und bewaffnete sie. Er brannte die Häuser der Pflanzer und der bürokratischen Kolonialherren mit rechtschaffenem Feuer nieder. Und er kämpfte mit der Waffe in der Hand, als die Rotröcke kamen… Die Armee brauchte Monate, um seine Festung

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