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Inseln im Netz

Titel: Inseln im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Ideen haben und nichts von Organisation verstehen! Das ist die verbreitete Auffassung, heute wie vor hundertfünfzig Jahren. Das könnte sich nun ändern… Verdammt noch mal, diese Grenadiner haben wirklich eine Erfindung gemacht! Und es ist einfach! Ich frage mich, wieviel sie von dem Zeug gemacht haben? - Kilos? Tonnen?«
    In Davids Augen leuchtete visionäres Feuer. »Jetzt kann ich in der Dritten Welt herumlaufen, und keiner ballt die Faust in der Tasche, wenn er mich sieht. Ich kann auf den erstbesten Typ zugehen und sagen: ›Hallo! Ich bin ein weißer amerikanischer Imperialist und Ausbeuter, aber ich bin schwarz wie Pik As, compadre.‹ Das ist die großartigste Sache, von der ich je gehört habe.«
    Laura runzelte die Stirn. »Das vielleicht, aber zu Hause werden sie den Kopf über dich schütteln. Auch wenn es bloß Farbe ist. Auch wenn es dich selbst, deine Persönlichkeit nicht verändert. Oder die Art deines Benehmens.«
    »Sag das nicht. Schon ein neuer Haarschnitt kann dein Auftreten verändern.« Er ließ sich ins Kissen zurückfallen und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Auch seine Achselhöhlen waren fleckig. »Ich muß mehr von diesem Zeug besorgen.«
    Nun war er engagiert. Endlich. Es hatte eines höchst absonderlichen äußeren Auslösers bedurft, um ihn aufzurütteln, aber jetzt war er ganz bei der Sache. Er hatte wieder diesen Ausdruck in den Augen, wie damals, als sie jung verheiratet gewesen waren und gemeinsam das Ferienheim geplant hatten. Sie war froh, daß er, statt deprimiert zu sein oder vor Wut zu toben, seine Veränderung so leicht nahm, ihr sogar noch etwas abzugewinnen vermochte.
    Sie legte den Arm über seine Brust und betrachtete den Gegensatz zwischen ihrer Haut und seinem schwarzen Brustkorb. »Du siehst gut aus, David… es steht dir irgendwie. Du erinnerst mich an die schwarz geschminkten Schauspieler, die den Othello spielen.« Sie küßte seine Schulter, dann lachte sie hell auf. »Hätte nie gedacht, daß ich es mal mit einem Schwarzen treiben würde!«
    Plötzlich stieg David aus dem Bett. »Atlanta, wer ist an der Leitung?«
    (»Ah, Nash, Thomas Nash, Sie kennen mich nicht…«)
    »Tom, ich möchte, daß Sie sich dies ansehen.« David nahm seine Videobrille vom Nachttisch und nahm sich selbst von oben bis unten auf. »Was sagen Sie dazu?«
    (»Es scheint Probleme mit den Helligkeitsabstufungen zu geben, Rizome-Grenada. Außerdem tragen Sie keine Kleider, nicht?«)
    Laura dachte, daß David wieder ins Bett steigen würde. Statt dessen fing er an, Leute anzurufen. Sie schlief ein, während er noch immer eiferte.

5. Kapitel
     
    Sie waren mit Stablampe und Werkzeug unter der Veranda, um sie auf Schäden zu untersuchen, als sie Sticky rufen hörten: »Zu Bwana, Blondie! Kommen Sie heraus! Zeit, die Suppe auszulöffeln…«
    Sie krochen zurück in den Nachmittagssonnenschein. Laura krabbelte auf allen vieren durch die niedrige Öffnung eines gemauerten Bogens und stand auf. »Hallo, Hauptmann.« Sie zupfte lange Spinnwebfäden aus ihrem Haar.
    David kroch hinter ihr heraus. Seine Jeans und das baumwollene Arbeitshemd waren an Knien und Ellbogen mit Staub und feuchter Erde behaftet. Sticky Thompson grinste über Davids dunkles Gesicht. »Gehen Sie jetzt mit einheimischen Niggern, Blondie? Wo ist der Große Weiße Jäger?«
    »Sehr komisch«, grollte David.
    Sticky führte sie in den Westflügel des Herrenhauses. Während sie unter frisch ausgeputzten Ylang-Ylang-Bäumen gingen, steckte David den Ohrhörer ein und setzte die Videobrille auf. »Wer ist am Draht? Oh. Hallo! Was? - Ah, die Linsen sind eingestaubt.« Er reinigte sie vorsichtig mit dem Hemdzipfel.
    Zwei militärische Kübelwagen warteten auf dem Kies der Zufahrt - mit grünen und braunen Tarnfarben gefleckte Geländewagen mit festem Verdeck und undurchsichtigen Scheiben. Drei uniformierte Milizionäre saßen auf dem flachen, breiten Kotflügeln und tranken Alkoholfreies aus Kartonpackungen. Sticky stieß einen scharfen Pfiff aus; die
    Milizionäre sprangen vom Kotflügel, nahmen Haltung an, und einer öffnete die Tür mit der rot-gold-grünen Kokarde Grenadas. »Zeit, die Wahrheit zu sagen, Mrs. Webster. Wir sind bereit, wenn Sie es sind.«
    »Sie wird sich umziehen müssen«, sagte David.
    »Nein, nicht nötig«, widersprach Laura. »Ich bin jederzeit bereit. Es sei denn, Ihre Bank befürchtet, ich könnte ihre Polstermöbel beschmutzen.« Sie zog die Videobrille mit ihrem Etui aus einer zugeknöpften

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