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Inseln im Netz

Titel: Inseln im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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und sie vergewaltige?«
    »Mein Gott.« Dieser Gedanke war ihr nicht in den Sinn gekommen. »Keine Ahnung, Hauptmann. Ich denke, ich würde Ihnen die Augen auskratzen.«
    »Oh, ein harter Brocken also!« Er sah sie nicht an, beobachtete die Straße, weil er schnell fuhr, aber seine rechte Hand schoß mit unglaublicher Schnelligkeit heraus und umfaßte ihr Handgelenk mit einem festen Schlag von Haut auf Haut. Ihre Hand wurde seltsam taub, und ein scharf ziehender Schmerz fuhr ihr durch den Arm aufwärts. »Machen Sie sich los«, sagte er. »Versuchen Sie es!«
    Sie zog und zerrte, und zugleich machte sich eine erste Aufwallung wirklicher Furcht bemerkbar. Es war, als wollte sie ihre Hand aus einem Schraubstock ziehen. Er zitterte nicht einmal. Er sah nicht so stark aus, aber sein bloßer, gebräunter Unterarm war wie Gußeisen. Unnatürlich. »Sie tun mir weh«, sagte sie, um einen ruhigen Ton bemüht. Aber in ihrer Stimme war ein verhaßtes kleines Zittern.
    Sticky lachte. »Nun hören Sie zu, Mädchen! Diese ganze Zeit hindurch haben Sie…«
    Laura ließ sich plötzlich in ihrem Sitz abwärts rutschen und trat hart auf die Bremse. Der Kübelwagen geriet ins Schleudern; der Soldat auf dem Rücksitz schrie auf. Sticky ließ ihr Handgelenk los, als hätte er sich verbrüht; seine Hände packten das Lenkrad mit der Schnelligkeit der Panik. Der Wagen geriet aufs Bankett, stieß im Zurückschleudern durch Schlaglöcher, daß sie mit dem Kopf gegen das harte Dach schlugen. Zwei Sekunden Chaos, dann hatte er den Wagen wieder unter Kontrolle.
    Gerettet. Sticky holte tief Luft.
    Laura setzte sich wieder aufrecht und rieb sich schweigend das Handgelenk.
    Etwas Bösartiges war zwischen sie gekommen. Sie spürte noch keine Angst, obwohl sie beinahe zusammen umgekommen wären. Sie hatte nicht gewußt, daß es so schlimm sein würde, mit einem manuell gesteuerten Wagen, sie hatte es einfach getan, impulsiv. Die Wut war plötzlich aufgekocht, als ihre Hemmungen mit der Videobrille von ihr genommen worden waren. Beide hatten sie sich wie tobende Betrunkene benommen, als das Netz seine Kontrollfunktion verloren hatte.
    Jetzt war es vorbei. Der Soldat - der Junge - auf dem Rücksitz umklammerte in Panik sein Sturmgewehr. Er hatte nicht unter dem Druck der Netzüberwachung gestanden, ihm war das alles rätselhaft, dieser jähe Ausbruch von Gewalt, wie ein Wirbelsturm. Völlig ohne Grund - er wußte nicht einmal, ob es schon vorüber war.
    Sticky fuhr weiter, das Kinn vorgeschoben, den Blick starr geradeaus gerichtet. »Winston Stubbs«, sagte er endlich, »war mein Vater.«
    Laura nickte. Sticky hatte ihr dies als Begründung gesagt - es war die einzige Art einer Entschuldigung, die er kannte. Die Neuigkeit überraschte sie nicht sehr, aber für einen Augenblick war ihr, als kämen ihr Tränen in die Augen. Sie lehnte sich zurück, entspannt, atmete bemüht ruhig. Sie mußte sich vorsehen mit ihm. Die Menschen sollten vorsichtiger miteinander umgehen…
    »Sie müssen sehr stolz auf ihn gewesen sein«, sagte sie in freundlich-tastender Art. »Er war ein besonderer Mann.« Keine Antwort. »Aus der Art und Weise, wie er Sie ansah, gewann ich den Eindruck…«
    »Ich vernachlässigte meine Pflicht«, sagte Sticky. »Ich war sein Bewacher, und der Feind tötete ihn.«
    »Wir wissen jetzt, wer es war«, sagte Laura. »Es war nicht Singapur. Es war ein afrikanisches Land - eine Kommandoaktion der Republik Mali.«
    Sticky sah sie an, als ob sie den Verstand verloren hätte. Während des Beinahe-Unfalls war ihm die polarisierende Sonnenbrille von der Nase geflogen, und sie sah kalten Glanz in seinen Augen. »Mali ist ein afrikanisches Land«, sagte er.
    »Warum sollte das einen Unterschied machen?«
    »Wir setzen uns für die afrikanischen Völker ein! Mali… das ist nicht mal eine Steueroase. Es ist ein Land, das unter Armut und Hunger leidet. Es hat keine Ursache, solch einen Anschlag zu verüben.« Er wandte den Blick von ihr. »Sie lügen, wenn sie Ihnen das erzählen.«
    »Wir wissen, daß Mali die FAKT ist«, sagte Laura.
    Sticky zuckte die Achseln. »Jeder kann sich dieser Buchstaben bedienen. Es werden erpresserische Schutzgelder verlangt, und wir wissen, wohin sie gehen: nach Singapur.« Er schüttelte bedächtig den Kopf. »Es gibt Krieg, Laura. Sehr schlechte Zeiten. Sie hätten nie auf diese Insel kommen sollen.«
    »Wir mußten kommen«, sagte Laura. »Wir waren Zeugen.«
    »Zeugen«, sagte Sticky geringschätzig. »Wir wissen,

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