Inseln im Netz
vernachlässigten, weil wir dort keine Gewinne machen konnten. Jetzt müssen wir aufhören, so blind zu sein.«
»Ist das heute die offizielle Politik Kymeras?« fragte Laura.
»Nicht bloß unsere«, sagte Yoshio. »Seit der Angriff auf Grenada erfolgte, werden überall alte Positionen überprüft und neue Überlegungen angestellt. Wir waren auf etwas dieser Art vorbereitet. Kymera wird eine diplomatische Offensive einleiten. Wir suchen eine Abstimmung mit vielen anderen multinationalen Unternehmen. Wenn wir gemeinsam handeln können, ist unsere Macht sehr groß.«
»Sie denken an ein globales Sicherheitskartell?« fragte Laura.
»An eine weltweite Wohlstandssphäre!« sagte Mika. »Wie hört sich das an?«
»Hmm«, machte David. »In Amerika würde man darin eine ›Verschwörung zu Handelsbeschränkungen sehen.«
»Wo liegt Ihre Loyalität«, fragte Yoshio. »Bei den Vereinigten Staaten oder Rizome?«
Laura und David tauschten Blicke. »Sicherlich wird es nicht dazu kommen«, sagte Laura.
»Glauben Sie, die Vereinigten Staaten werden einschreiten? Neue Eingreifverbände aufstellen, die Steueroasen angreifen und ihnen ihren Frieden aufzwingen?«
»Kann ich mir nicht vorstellen«, sagte David. »Die anderen Signatarmächte der Wiener Konvention würden alle über uns herfallen… ›Amerikanischer Imperialismus‹ - Großer Gott, es würden keine sechs Monate vergehen, bis die Leute uns überall auf der Welt mit Brandanschlägen und Entführungen verfolgen würden.« Er stocherte mit seinen Eßstäbchen im Sukiyaki. »Und die Russen - nicht daß sie heutzutage eine große Rolle spielten, aber wenn sie sich auf den Schlips getreten fühlen… Sehen Sie, die richtige Adresse zur Behandlung dieser Angelegenheiten ist die Wiener Konvention. Ihre internationalen Ermittler und Polizisten sind zur Bekämpfung des Terrorismus da.«
»Warum tun sie es dann nicht?« fragte Yoshio.
»Ja«, sagte David mit einigem Unbehagen, »ich denke mir, es ist wie damals mit den Vereinten Nationen. Eine gute Idee, aber wenn es darauf ankommt, will keine souveräne Regierung wirklich Einbußen ihrer Entscheidungsfreiheit hinnehmen…«
»Exactamente«, sagte Yoshio. »Keine Regierung. Aber wir könnten uns mit einer wirksamen internationalen Polizeistreitmacht zufriedengeben. Und Wien verfügt darüber. Un grupo nuevo milenarios. Wie ein moderner Keiretsu.«
Laura schob ihren Teller von sich. Sie hatte Mühe, ihr eingerostetes Japanisch wiederzubeleben. »Die Wiener Konvention existiert zum Schutz der ›politischen Ordnung‹, zum Schutz von Regierungen. Sie gehört nicht zu uns. Unternehmen können keine diplomatischen Verträge abschließen.«
»Warum nicht?« erwiderte Yoshio. »Ein Vertrag ist ein Vertrag. Sie reden wie meine Großmutter. Es ist jetzt unsere Welt. Und in dieser Welt ist ein Tiger los - ein Tiger, den wir selbst aufpäppelten, weil wir so töricht waren, andere Leute zu bezahlen, daß sie die Klauen und Zähne unserer Unternehmen seien. Ein Grund mehr, daß wir den Fehler berichtigen und einen neuen Kurs einschlagen. Sie handelten bereits als Diplomaten Ihres Unternehmens, um Grenada zugunsten Ihrer Unternehmenspolitik zu untergraben. Das ist es! Wir müssen moderner sein!« Er streckte die Arme aus. »Das Problem mit beiden Händen ergreifen.«
»Ich sehe nicht, wie das möglich sein sollte«, sagte Laura.
»Es ist durchaus möglich«, antwortete Yoshio. »Kymera und I.G. Farben haben dieses Problem untersucht. Mit der Hilfe anderer Verbündeter wie Rizome könnten wir Wiens Budget binnen kurzem um ein Mehrfaches aufstocken. Wir könnten viele Söldner anwerben und sie unter Wiener Befehl stellen. Wir könnten einen Überraschungsangriff gegen Mali führen und den Tiger zur Strecke bringen.«
»Ist das legal?« sagte David.
Yoshio zuckte die Achseln. »Wen wollen Sie das fragen? Wer trifft diese Entscheidung? Regierungen wie die amerikanische oder japanische? Oder Mali, Grenada? Oder entscheiden wir statt ihrer? Stimmen wir darüber ab.« Er hob die Hand. »Ich sage, es ist legal.«
Mika hob die Hand. »Ich auch.«
»Wie lange können wir warten?« sagte Yoshio. »Die Freie Armee hat eine kleine Insel angegriffen, doch hätte es genausogut auch Manhattan sein können. Sollten wir darauf warten?«
»Aber Sie sprechen davon, daß wir die Internationale Polizei bestechen sollten«, sagte Laura. »Das nimmt sich wie ein Coup d'etat aus!«
»›Kudetah‹«, wiederholte Yoshio verständnislos. »Warum
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