Inseln im Strom
waren ein paar Betrunkene von der Feier am Vorabend hängengeblieben. Der Ostwind hatte kalt ins offene Restaurant und in die Bar hereingeweht, und das Licht war so hell und die Luft so kühl und frisch gewesen, daß es den Betrunkenen nicht paßte.
«Mach die Tür zu», hatte einer von ihnen zum Wirt gesagt.
«Nein», sagte der Wirt. «Ich mag’s so. Wenn dir’s zu frisch ist, kannst du gehen und dir irgendwo anders einen Windschatten suchen.»
«Wir bezahlen, damit wir uns hier aufschießen», sagte einer der übernächtigen Hängenbleiber.
«Nein. Ihr bezahlt für das, was ihr trinkt. Aufschießen könnt ihr euch woanders.»
Er sah über die Terrasse der Bar aufs Meer hinaus, das dunkelblau war und Schaumkronen hatte und voll von Fischerbooten war, die hier kreuzten und ihre Delphinangeln ausgebracht hatten.
In der Bar war ein halbes Dutzend Fischer, auch auf der Terrasse hatten sie zwei Tische besetzt. Es waren Fischer, die am Tag zuvor einen guten Fang gehabt hatten oder sich darauf verließen, daß das gute Wetter und die Strömung anhalten würden. Sie ließen es darauf ankommen und blieben über Weihnachten an Land. Der Mann, dessen Name Thomas Hudson war, kannte sie, und er wußte, daß keiner von ihnen zu Weihnachten in die Kirche ging, und keiner machte sich als Fischer zurecht, absichtlich nicht. Sie kamen einem ganz und gar nicht wie Fischer vor, und dabei gehörten sie zu den Allerbesten. Sie gingen barhäuptig oder hatten alte Strohhüte aufgesetzt, trugen alte Kleider und gingen in Schuhen oder barfuß, wie es gerade kam. Man sah genau, wer ein Fischer war und wer ein guajiro, denn die Landarbeiter trugen ordentlich gebügelte Hemden, große Hüte, enge Hosen und Reitstiefel, wenn sie in die Stadt kamen, und nahezu alle hatten ihre Macheten bei sich, während die Fischer ihre alten, zerlumpten Kleider anhatten und lustige, selbstsichere Leute waren. Die Leute vom Lande waren zurückhaltend und schüchtern, wenn sie nicht gerade tranken. Das einzige, woran man die Fischer wirklich erkannte, waren ihre Hände. Die Hände der Alten waren braun und knotig, voller Sonnenflecke, und ihre Finger und Handflächen waren narbig und von den Angelleinen tief eingekerbt. Die Hände der Jungen hatten noch keine Narben, aber die meisten von ihnen hatten dieselben Sonnenflecken und Schwielen, und die Haare auf ihren Händen und Armen – die Schwarzhaarigen ausgenommen – waren von Sonne und Salz ausgebleicht.
Thomas Hudson wußte noch, wie der Wirt an diesem Weihnachtsmorgen ihn gefragt hatte: «Möchten Sie ein paar Krabben?» Er hatte ihm einen großen Teller voll Garnelen gebracht, die frisch gekocht waren, und er hatte ihn auf die Theke gesetzt, eine gelbe Zitrone zerschnitten und die Schnitze auf eine Untertasse gelegt. Die Garnelen waren riesig und rosa, und ihre Fühler hingen weiter als einen Fuß über die Kante der Theke. Er hatte sich eine genommen und ihre Antennen so weit wie es ging auseinandergezogen und gesagt, sie seien länger als die Riecher der japanischen Admirale. Dann hatte Thomas Hudson der japanischen Admiralsgarnele den Kopf abgedreht und mit den Daumen die Bauchschale aufgeknackt und die Garnele herausgeschält, und das Fleisch, in Seewasser, Zitronensaft und mit ungemahlenem schwarzem Pfeffer gekocht, war so frisch und seidig unter den Zähnen gewesen, daß er niemals bessere Garnelen gegessen zu haben meinte, auch in Malaga nicht oder in Taragona oder Valencia. Da war dann die kleine Katze zu ihm herübergelaufen, schnell die ganze Theke entlang. Sie hatte sich an seiner Hand gerieben und eine Garnele gewollt.
«Die sind zu groß für dich, Knirps», sagte er, aber er schnipste mit Daumen und Finger ein Stück ab und gab es der kleinen Katze, die damit wegrannte, zu der Tabakauslage zurück, und schnell und gierig fraß. Thomas sah der kleinen Katze mit der hübschen schwarzweißen Zeichnung, ihren weißen Vorderpfoten und der weißen Brust und der schwarzen Maske, die sich von den Augen über die Stirn hinaufzog, zu, während sie die Garnele maunzend fraß, und fragte den Wirt, wem sie gehöre.
«Ihnen, wenn Sie sie haben wollen.»
«Ich hab schon zwei Perserkatzen zu Hause.»
«Zwei sind gar nichts. Nehmen Sie sie mit. Ein bißchen Cojimar-Blut schadet der Zucht nicht.»
«Nehmen wir sie mit, Pa?» hatte der eine seiner Söhne gefragt, an den er nicht mehr dachte. Er war die Stufen von der Terrasse heraufgekommen, wo er zugesehen hatte, wie die Fischer hereinkamen, die
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