Inseln im Strom
des Fensters, das offen stand. Er machte Licht, trank etwas Perrier, er war sehr durstig.
Und da stand ein Tablett mit ein paar Sandwiches und Obst auf dem Tisch, wo der Steward es gestern abend hingestellt hatte, und in dem Thermosbehälter mit dem Perrier war noch Eis. Er wußte, daß er etwas essen sollte, und er sah auf die Uhr an der Wand. Es war früh, 3 Uhr 20. Die Seeluft kam kühl herein. Er aß ein Sandwich und zwei Äpfel, dann nahm er etwas Eis aus dem Behälter und machte sich einen Drink zurecht. Die Whiskyflasche war leer, aber er besaß eine zweite Flasche Old Parr, und er saß jetzt in der Morgenkühle in dem komfortablen Sessel und trank und las im New Yorker. Er merkte, daß er sich jetzt lesen ließ, und er merkte auch, daß ihm das Trinken in der Nacht Spaß machte. Jahrelang hatte er nachts nichts getrunken, und nichts am Morgen, ehe er seine Arbeit fertig gehabt hatte, die Tage ausgenommen, an denen er nicht gearbeitet hatte. Es war seine absolute Regel gewesen. Aber jetzt, wo er mitten in der Nacht aufgewacht war, fühlte er das simple Glück, das man empfinden kann, wenn man eine Regel durchbricht. Es war die erste Rückkehr des bloßen animalischen Glücks oder der Fähigkeit zu Glück, die er erlebte, seit das Telegramm gekommen war. Den New Yorker fand er sehr gut. Ohne Zweifel ist das eine Zeitschrift, die man lesen kann, am vierten Tag, nachdem etwas passiert ist. Am ersten oder am zweiten oder am dritten Tag ist es zu früh, aber am vierten. Das mußte man sich merken. Nach dem New Yorker las er The Ring und danach las er alles, was in Atlantic Monthly lesbar war, und einiges, was man nicht lesen konnte. Dann machte er sich einen dritten Drink zurecht und las Harper’s. Siehst du, sagte er zu sich, es hat nichts auf sich.
2. Teil
Kuba
Als alle gegangen waren, legte er sich auf die Bastmatte am Boden und horchte auf den Wind. Ein Nordwest stürmte, und er breitete Decken auf dem Fußboden aus, schichtete Kissen auf und lehnte sich gegen den Polstersessel, den er gegen ein Bein des großen Tischs in der Halle geschoben hatte. Um seine Augen im Schatten zu haben, hatte er eine Mütze mit langem Schirm aufgesetzt, und er las seine Post im hellen Schein der großen Leselampe, die auf dem Tisch stand. Der Kater lag auf seiner Brust, und er zog ein Plaid über sie beide, machte die Briefe auf, las sie und trank dazu einen Whisky mit Wasser, und er stellte das Glas jedesmal, wenn er getrunken hatte, auf den Boden. Seine Hand fand es, wenn er es haben wollte.
Der Kater schnurrte, aber der Mann hörte es nicht, weil es ein lautloses Schnurren war. Er hielt einen Brief in der Hand und legte einen Finger der anderen auf den Hals des Katers. «Du hast ein Kehlkopfmikrofon um, Boise», sagte er. «Magst du mich?»
Der Kater knetete sacht seine Brust, und seine Krallen hakten in dem schweren, blauwollenen Troyer des Mannes. Er fühlte das wohlig sich spreizende Gewicht des Katers auf sich und das Schnurren unter seinen Fingern. «Sie ist ein Aas, Boise», sagte er und machte den nächsten Brief auf.
Der Kater reckte seinen Kopf und rieb ihn unter dem Kinn des Mannes.
«Sie kratzen dir die Seele aus dem Leib, Boise», sagte der Mann und strich mit seinem stoppeligen Kinn über den Kopf des Katers hin. «Frauen mögen das nicht. Ein Jammer, daß du nicht trinkst, Boy. Du machst doch sonst ziemlich alles.»
Der Kater war ursprünglich auf den Namen der Yacht ‹Boise› getauft worden, aber jetzt rief der Mann ihn längst kurz ‹Boy›.
Er las den zweiten Brief, ohne zu reden, streckte die Hand aus und trank einen Schluck von dem Whisky mit Wasser.
«Schön», sagte er, «das führt zu nichts. Ich will dir was sagen, Boy: Jetzt liest du die Briefe, und ich lege mich dir auf die Brust und schnurre. Wie wäre das?»
Der Kater streckte den Kopf und rieb ihn gegen sein Kinn, und der Mann rieb zurück und kratzte ihn dabei mit seinen Bartstoppeln zwischen den Ohren, am Hinterkopf und zwischen den Schultern, während er den dritten Brief aufmachte.
«Hast du Angst um uns gehabt, als es aufbriste, Boise?» fragte er.
«Du hättest uns hereinkommen sehen wollen. Der Morro war unter Wasser. Dir wäre schlecht geworden. Ein langer Brecher hat uns mitgenommen, wir kamen wie ein Wellenreiter herein.»
Der Kater lag da und atmete zufrieden, im selben Rhythmus wie der Mann. Es war ein großer Kater, lang und zärtlich und, wie dem Mann schien, mager vom nächtlichen Herumstromern.
«Hast du’s so
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