Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inseln im Strom

Inseln im Strom

Titel: Inseln im Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
Vom Netzwerk:
hatten. Einige Vorräte waren knapp geworden, und er war sich nicht sicher gewesen, wie lange der Sturm andauern würde. Also hatten sie die See in Kauf genommen und waren nach Havanna gegangen. Sobald es hell war, wollte er baden, sich rasieren, aufräumen und in die Stadt hineinfahren, um sich beim Marineattaché zu melden. Es konnte sein, daß er an der Küste hatte bleiben sollen, aber er war sicher, daß bei diesem Wetter keiner auftauchen würde. Es war einfach unmöglich für sie, soviel stand fest. Wenn er recht hatte, was das betraf, so war auch alles andere in Ordnung, wenn auch nicht immer alles so einfach war, und das war es bestimmt nicht.
    Er lag auf dem harten Fußboden, und die rechte Hüfte, der Hüftknochen und die rechte Schulter taten ihm weh. Da legte er sich flach auf den Rücken, flach auf die Schulterblätter, drückte die Fersen gegen die Decke und zog die Knie an. Das vertrieb ihm den Schlaf aus den Gliedern, und er griff mit der linken Hand nach dem schlafenden Kater und streichelte ihn.
    «Du machst dir’s wirklich bequem, Boy, und wachst nicht mal auf», sagte er zu dem Kater. «Dann ist es ja vielleicht nicht so schlimm…»
    Er kam auf die Idee, einige von den anderen Katzen hereinzulassen, damit er mit ihnen reden könnte und etwas Gesellschaft hätte, jetzt, wo Boise schlief, aber er tat es nicht. Boise würde sich zurückgesetzt fühlen und eifersüchtig sein. Boise hatte ihn vor dem Haus erwartet, als sie mit dem großen Stationwagen hereingekommen waren. Er war schrecklich aufgeregt gewesen und ihnen zwischen den Beinen herumgelaufen während des Abladens, hatte jeden begrüßt, und sobald eine Tür aufging, war er rein-und rausgeschossen. Wahrscheinlich hatte er jede Nacht draußen gewartet, seit sie weggefahren waren. Der Kater wußte es jedesmal, wenn der Befehl gekommen war. Natürlich wußte er nichts von Befehlen, aber er kannte die ersten Anzeichen und Vorbereitungen, und wie es weiterging, Punkt für Punkt, bis schließlich der große Aufruhr kam, wenn die Leute ins Haus einzogen (er ließ sie immer ab Mitternacht bei sich schlafen, wenn es vor Morgen losging), und der Kater wurde immer aufgeregter und nervöser, bis er am Ende, wenn sie, zur Abfahrt bereit, das Gepäck aufluden, so verzweifelt war, daß sie ihn vorsichtshalber einschließen mußten, damit er ihnen nicht die Auffahrt hinunter, in den Ort und auf die Chaussee hinaus nachlief.
    Auf dem Central Highway hatte er einmal eine Katze liegen sehen, die von einem Wagen überfahren worden war, und die Katze, frisch überfahren und tot, hatte genau wie Boy ausgesehen. Sie war schwarz auf dem Rücken gewesen, mit weißen Vorderbeinen, Brust und Kehle und einer schwarzen Maske über dem Gesicht. Er hatte gewußt, daß Boy es nicht sein konnte, denn es war wenigstens sechs Meilen von der Farm entfernt gewesen, trotzdem war ihm schlecht geworden, und er hatte den Wagen anhalten und zurückrollen lassen und die Katze aufgehoben und sich überzeugt, daß Boy es nicht war, und dann hatte er sie an den Straßenrand gelegt, damit sie nicht noch einmal überfahren werden konnte. Die Katze war gut im Fell gewesen, so daß sie irgendwem gehört haben mußte, und er ließ sie am Straßenrand liegen, damit sie sie fanden und Bescheid wußten und sie nicht länger suchten. Sonst würde er sie ins Auto getan und auf der Farm begraben haben.
    Als er an jenem Abend zur Farm zurückfuhr, lag die tote Katze nicht mehr an der Stelle, wo er sie hingelegt hatte. Vermutlich hatten ihre Leute sie gefunden. Und als er in der Nacht in seinem großen Sessel las und Boise neben ihm saß, war ihm klargeworden, daß er nicht gewußt hatte, was er tun sollte, falls Boise getötet worden wäre, und seinem verzweifelten Benehmen nach ging es dem Kater mit ihm vermutlich genauso.
    Es erwischte den Kater jedesmal schlimmer als ihn selber. Warum denn, Boy? Es ginge ihm viel besser, wenn er es leichter nähme. Du nimmst es doch selber so gut es geht, sagte er zu sich. Du bringst es doch fertig, nur Boise schafft es nicht.
    Auf See dachte er über Boise nach, über seine sonderbaren Angewohnheiten und seine verzweifelte, hoffnungslose Liebe. Er wußte noch, wie er ihn zum erstenmal gesehen hatte. Es war in der Bar auf dem Felsen über dem Hafen von Cojimar gewesen, und der Kater war noch eine kleine Katze gewesen, die auf dem Glasdeckel der Tabakauslage mit ihrem Spiegelbild gespielt hatte. Es war an einem hellen Weihnachtsmorgen gewesen, und in der Bar

Weitere Kostenlose Bücher