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Inseln im Strom

Inseln im Strom

Titel: Inseln im Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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durchgedrehten Fleisch hereinbrachte, sprang er mit einem Satz aus dem Zimmer und gleich wieder herein, wieder über alle anderen hinweg, die den Jungen mit dem Futter umdrängten. Er fraß schnell, und sobald er fertig war, verließ er das Katzenzimmer. Die anderen Katzen interessierten ihn überhaupt nicht.
    Der Mann hatte längst den Verdacht, daß Boise sich für ein menschliches Wesen hielt. Er trank nicht mit dem Mann, wie ein Bär es gemacht hätte, aber er fraß alles, was der Mann aß, besonders Sachen, die Katzen sonst nicht anrühren. Thomas Hudson erinnerte sich des vergangenen Sommers, als sie zusammen gefrühstückt hatten und er Boise eine Scheibe frischen, eisgekühlten Mangos hingeschoben hatte. Boise hatte den Mango mit Vergnügen gefressen, und von da an hatte er jeden Morgen, solange Thomas Hudson in der Mangozeit an Land war, seine Mangofrucht bekommen. Er mußte die Stückchen so halten, daß der Kater sie mit dem Maul nehmen konnte, weil sie ihm auf dem Teller immer wieder wegrutschte, und der Mann überlegte sich, ob sich nicht eine Art Gestell für ihn finden ließ, eine Art Toasthalter, damit sich der Kater die Stücke selbst herausnehmen konnte. Als dann im September die Avocadobirnen reif waren und in den großen grünen Bäumen die Früchte hingen, die nur wenig dunkler und glänzender als das Laub waren, und Thomas Hudson an Land gewesen war, um den Kutter zu überholen und die Reise nach Haiti vorzubereiten, hatte er Boise mit dem Löffel eine halbe Avocado hingehalten, deren Kerngehäuse mit Öl und Essig gefüllt war, und der Kater hatte sie gefressen, und danach hatte er zu jeder Mahlzeit eine halbe Avocado bekommen.
    «Warum steigst du nicht in den Baum und holst sie dir selber?» hatte Thomas Hudson den Kater während eines Spaziergangs durch seinen hügeligen Besitz gefragt, aber Boise hatte natürlich nicht geantwortet. Eines Abends hatte er Boise auf einem Avocadobaum entdeckt, als er in der Dämmerung hinausgegangen war, um zuzusehen, wie die Amseln über Havanna einfielen, die jeden Abend vom südlichen und östlichen Binnenland in großen Schwärmen herüberkamen, um lärmend in die Lorbeerbäume des Prado einzufallen. Thomas Hudson sah gerne zu, wie die Amseln über die Berge flogen und wie später die ersten Fledermäuse und die Käuze herauskamen, um zu jagen, während hinter Havanna die Sonne unterging und über den Hügeln die ersten Lichter erschienen. An diesem Abend hatte sich Boise nicht sehen lassen, der sonst fast jedesmal mit ihm hinausgegangen war, und er hatte Big Goats mitgenommen, einen der Söhne Boises, einen breitschultrigen schwarzen Kater, der einen Stiernacken hatte, ein breites Gesicht, riesige Barthaare und ein großer, großer Kämpfer war. Goats ging nie auf Jagd, er war ein Kämpfer und hinter Katzen her, und das beschäftigte ihn ganz und gar, aber er war lustig, wenn er nicht gerade auf eine eigene Sache konzentriert war, und mochte Spaziergänge, besonders wenn Thomas Hudson alle paar Schritte stehenblieb und ihn hart mit dem Fuß anstieß und er sich flach auf die Seite legen mußte. Dann streichelte Thomas Hudson ihm den Bauch mit der Fußspitze, und Goats konnte es gar nicht hart und rauh genug bekommen. Es war ihm gleichgültig, ob man ihm mit einem Schuh oder barfuß über den Bauch fuhr. Thomas Hudson hatte sich gerade gebückt, um ihm die Seite zu klopfen – was Goats gerne genauso kräftig hatte wie ein großer Hund –, als er Boise ganz oben in einem Avocadobaum entdeckte, Goats guckte hinauf und sah ihn auch.
    «Was machst du denn, du Idiot?» rief Thomas Hudson hinauf. «Holst du dir sie endlich selber vom Baum?»
    Boise guckte herunter und sah Goats.
    «Komm runter, wir gehen spazieren», sagte Thomas Hudson. «Du kriegst eine Avocado zum Abendbrot.»
    Boise sah Goats an und blieb stumm.
    «Dann bleib meinetwegen oben. Du siehst verdammt hübsch aus im dunkelgrünen Laub.»
    Boise wendete sich ab, und Thomas Hudson und der große schwarze Kater gingen zwischen den Bäumen weiter.
    «Goats, ich glaube, er ist verrückt, was meinst du?» fragte der Mann, und um dem Kater einen Gefallen zu tun, sagte er: «Weißt du noch, wie wir damals nachts die Medizin nicht finden konnten?»
    ‹Medizin› war Goats’ Zauberwort, und sobald er es hörte, legte er sich auf die Seite und wollte gestreichelt werden.
    «Erinnerst du dich noch an die Medizin?» fragte der Mann ihn, und der große Kater wand sich in wilder Wonne.
    ‹Medizin› war sein

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