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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
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wurde im Freien abgehalten, im großen Hof zwischen den beiden Seitenflügeln, unter aufgespannten Sonnensegeln.
    » Der gute William«, sagte Anne in einer Mischung aus Mitleid und Stolz. » Er ist immer so sehr darauf bedacht, alles richtig zu machen. Und niemals denkt er dabei an sich!«
    Elizabeth sah William nach. Sein aufrechter Rücken schien die Worte seiner Schwester untermauern zu wollen, desgleichen sein nachdenkliches, ein wenig besorgtes Gesicht, das ihr im Profil zugewandt war. Dann fiel ihm unvermittelt eine Locke in die Stirn, was den Eindruck der Ernsthaftigkeit ein wenig abmilderte und ihm wieder den jungenhaften Anstrich verlieh, der in Elizabeths Augen besser zu ihm passte als die ständige Sorge um das Wohl anderer. Da in wenigen Stunden die Verlobungsfeier beginnen sollte, hatte er bereits seinen Festtagsstaat angelegt, eine seidene Weste, ein spitzenbesetztes Jabot sowie Kniehosen aus Samt und Schuhe mit silbernen Schnallen.
    Elizabeth fragte sich unwillkürlich, was Duncan wohl zu der Versammlung tragen mochte. In feiner Kleidung hatte sie ihn noch nie gesehen. Sofort verbot sie sich jeden weiteren Gedanken an ihn. Sie hatte entschieden, künftig einfach so zu tun, als gäbe es ihn nicht.
    Von allen Seiten strömten die Männer herbei, die sich außerhalb des Hauses aufhielten, auch Niklas Vandemeer kam vom Strand zum Haus herauf, Felicity an seinem Arm eingehängt und Martha als ewige Tugendwächterin im Schlepptau. Der Kapitän verneigte sich kurz vor den Damen, dann eilte er zur Rückseite des Hauses. Erregte Stimmen waren von dort zu hören, anscheinend ereiferten sich manche Teilnehmer schon vor der eigentlichen Debatte, bei der Cromwells Navigationsakte beratschlagt werden sollten.
    Felicity kam auf die Veranda, erhitzt und mit rosig durchbluteten Wangen. Über ihrer Schulter lag nachlässig der Stock des Strohschirms, den sie zum Schutz gegen die Sonne mit sich führte. Sie sah reizend aus mit ihrem rüschenbesetzten, schwingenden Seidenkleid, bei dem sie diesmal auf den steifen, voluminösen Unterrock verzichtet hatte.
    Martha, ebenfalls bereits im Feststaat, zerfloss vor Hitze. Ihr Gesicht war trotz ihres Sonnenschirms so rot wie gesottener Hummer, und ihr ausladendes Dekolleté war ein See aus Schweiß. Das Kleid, ein Prachtstück aus dunkelblauem Seidensatin mit einer Vielzahl von Perlen an den Säumen, war klatschnass.
    Robert war zusammen mit seinen Eltern vor etwa einer Stunde eingetroffen, und in dieser kurzen Zeit hatte er es bereits geschafft, so viel zu trinken, dass Martha ihn angefleht hatte, sich zusammenzureißen. Er hatte die Augen verdreht und behauptet, er habe es im Griff und wisse, wie viel er vertrage.
    Er saß auf der Veranda, einen halbleeren Becher Sherry vor sich, den Kopf in die Hand gestützt und ins Leere starrend. Sein blondes Haar fiel ihm ins Gesicht, und wieder erstaunte es Elizabeth, wie schön er war. Rein äußerlich glich er immer noch jenem Götterboten auf dem Gemälde in der Halle von Raleigh Manor, eine mythengleiche, strahlende Erscheinung, die unweigerlich bewundernde Blicke auf sich zog. Hochgewachsen, makellos gekleidet und gesegnet mit diesem Antlitz, verströmte er eine solche Anziehungskraft, dass es niemanden verwundern konnte, wie schnell ihn die meisten Frauen erhörten.
    » Wenn du an der Sitzung teilnehmen willst, solltest du jetzt rübergehen«, sagte Elizabeth behutsam.
    » Ja, dein Vater würde das wünschen«, fügte Martha hinzu, einen ängstlichen Ausdruck auf dem feisten Gesicht.
    Robert rührte sich nicht, sondern blickte weiter stumm vor sich hin. Dann schaute er abrupt auf.
    » Jonathan hat nach dir gefragt«, sagte er. » Der Junge vermisst dich.«
    Seine unerwartete Bemerkung ließ Elizabeth zusammenzucken. Sie hatte den Kleinen bislang nicht mit zu den Noringhams genommen, weil sie fand, dass er in seiner gewohnten Umgebung besser aufgehoben war. Außerdem hatten ihre Besuche auf Summer Hill nie länger als zwei oder drei Tage gedauert.
    » Morgen komme ich doch wieder nach Hause«, sagte sie.
    Robert stand auf, die Stuhlbeine scharrten auf den Holzbohlen der Veranda. Mit einem Mal sah er müde aus.
    » Schon gut. Übrigens wollte ich dir noch sagen, dass es mir leidtut.« Hastig fügte er hinzu: » Der Tod deines Vaters muss sehr schlimm für dich gewesen sein.«
    Das hatte er nicht gemeint, sie wussten es beide.
    » Ich danke dir für deine Anteilnahme«, sagte Elizabeth. Mit leisem Unbehagen sah sie zu, wie er die

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