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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
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Mahlwerk immer wieder durch die kleinste Störung ins Stocken geriet, sei es, weil zu viel Rohr in die Presse geraten war, sei es, weil eines der Maultiere in seiner Sturheit stehen blieb oder weil die verdammten Walzen aus ihren Lagern sprangen.
    Harold beobachtete das flüssige Gold, das aus der Presse über eine Auffangrinne zu den Siedekesseln lief, Quell des Reichtums dieser Insel. Er sah zu, wie der stetige Zuckerfluss in einem Becken mit Pottasche vermengt wurde, bevor der Saft in einem Kupferkessel aufgekocht und alle verbliebenen Pflanzenteile abgeschöpft wurden. In weiteren Kesseln wurde die Flüssigkeit abermals gekocht und weitergereinigt, bis sie am Ende in kegelförmige hölzerne Tröge gefüllt und zum Erstarren abgelagert wurde. Die Hitze des großen, gemauerten Ofens war enorm, sie nahm den Atem und trieb den Schweiß aus allen Poren. Harold störte sich nicht daran, er war es gewöhnt. Seine Weste hatte er gleich nach seiner Ankunft ausgezogen. Es reichte, wenn er sie zu der Sitzung nachher wieder anlegte.
    Ein halbes Dutzend Schwarze arbeitete in der nach allen Seiten offenen Siedehütte, die nur aus Pfosten und einem Schilfdach bestand. Ein einarmiger alter Sklave führte die Aufsicht über die Kessel. Wie Harold wusste, hatte Noringham, wie er selbst, seinen Siedemeister unter den erfahrenen, altgedienten Schwarzen ausgesucht. Noringham tat immer so, als wollte er nur das Beste für seine Sklaven, aber wenn es ums Geschäft ging, war er alles andere als ein weltfremdes Unschuldslamm.
    Eine Weile sah Harold den Arbeitern zu, schätzte mit geübtem Blick den Ausstoß der Zuckermenge ab, stellte Vergleiche an und kam zu dem Schluss, dass er ebenfalls eine neue Zuckermühle brauchte. Er würde nicht umhin können, schon wieder mit Duncan Haynes zu feilschen, denn auf die Holländer war kein Verlass, wenn es um teure Sonderwünsche ging. Duncan Haynes dagegen, der Teufel hole seine schwarze Seele, würde die Walzen irgendwo auftreiben, und wenn er sie erst machen lassen musste. Natürlich für so viel Geld, dass er wegen Wuchers aufgeknüpft gehörte. Harold warf einen letzten grollenden Blick auf das Mahlwerk, dann kehrte er der Siederei den Rücken, um zum Herrenhaus zurückzugehen.
    Vor einer der Sklavenhütten spielten ein paar kleine Kinder, ein seltener Anblick. Die Schwarzen vermehrten sich zwar regelmäßig, sofern genug Frauen unter ihnen waren, aber die meisten Kinder starben bald nach der Geburt. Als Kapitalanlage taugten sie nichts. Harold ging weiter, blieb aber nach ein paar Schritten wie angewurzelt stehen.
    Eine junge Frau hängte ein paar nasse, zerlumpte Wäschestücke über einen Strick, der zwischen zwei Palmen gespannt war. Gekleidet war sie wie die übrigen Sklaven, nämlich in ein form- und farbloses, sackähnliches helles Kattunkleid, das bis über die Knie reichte und Löcher für Kopf und Arme aufwies. Ihr Haar war im Nacken zusammengebunden, trotzdem war zu sehen, dass es nicht kraus wie das der Schwarzen war, sondern nur leicht gelockt. Ihre Haut hatte die Farbe von hellem Zimt. Sie war eine Mulattin, eines der wenigen Sklavenbälger, die auf der Insel geboren waren und das Erwachsenenalter erreicht hatten. Harold hatte sie ein paar Mal in Bridgetown gesehen, in Gesellschaft von Anne Noringham, die sich von dem Mädchen die Einkäufe hinterhertragen ließ. Sonst arbeitete sie im Haus der Noringhams. Einmal hatte er sich ihr genähert, weil er wissen wollte, ob sie eher weiß oder eher schwarz geraten war, doch auch sein langer, prüfender Blick hatte ihm keinen Aufschluss darüber geben können. Sie vereinte die Farben beider Rassen. Er wusste, dass sie Celia hieß, Anne hatte sie mit diesem Namen gerufen. Vermutlich hatte man sie heute hierher in die Sklavenquartiere verbannt, damit sie nicht die Blicke notgeiler Pflanzersöhne auf sich zog. Beim Gedanken an Robert verzog Harold gequält das Gesicht. Die Geschehnisse in der Nacht seines Geburtstags brannten immer noch in ihm wie Säure.
    Unwillkürlich ging er auf das Mädchen zu. Sie hörte ihn und drehte sich um. » Sir.« Respektvoll knickste sie vor ihm, den Kopf gesenkt und die Augen niedergeschlagen.
    » Du bleibst heute hier draußen«, sagte er. Es war mehr ein Befehl als eine Frage.
    Sie nickte stumm.
    » Falls mein Sohn herkommt …« Während er noch nach Worten suchte, den Satz zu beenden, sagte sie hastig: » Ich bleibe in der Hütte. Dann kann er mich nicht sehen.«
    Er griff zur Peitsche, und diesmal zog er

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