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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
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Leib fuhr. Während er fassungslos auf die hervorquellenden Innereien starrte und mit zuckenden Händen versuchte, sie festzuhalten, erreichten ihn die anderen Sklaven. Zwei, drei, vier Macheten trafen ihn, zerhackten seinen Kopf, seine Arme, sein Gesicht. Die Schläge hatten ihn nicht umgebracht – noch nicht. Er war bei Bewusstsein, als er rücklings zu Boden fiel. Blut gurgelte aus seinem Mund, während Akin über ihm stand und auf ihn hinabsah.
    » Er bleibt so liegen«, sagte er. » Damit er Zeit hat zu begreifen.« Aufmerksam blickte er in die Runde. Einige der Schwarzen, die nicht dem Stamm der Yoruba angehörten, hatten sich eingeschüchtert zusammengeschart und schauten ihn mit großen Augen an.
    » Ihr seid frei«, sagte Akin. » Ihr könnt gehen, wohin ihr wollt. Wer will, kann mit mir kommen und kämpfen.«
    Sie tauschten Blicke. Drei von ihnen stahlen sich davon, die übrigen fünf blieben stehen.
    Die Yoruba-Sklaven hatten sich um Akin versammelt. Zwei oder drei traten den sterbenden Aufseher, der röchelnd versuchte, etwas zu sagen, doch nichts außer einem Schwall weiteren Bluts hervorbrachte. Die irischen Schuldknechte, vier an der Zahl, hatten ebenfalls eine Gruppe gebildet. In ihren Gesichtern stand nacktes Entsetzen. Wie es schien, sahen sie sich bereits am Galgen hängen.
    » Auch ihr könnt gehen oder bleiben«, sagte Akin.
    » Das ist Wahnsinn«, sagte einer, von dem Akin wusste, dass sein Kontrakt im kommenden Frühjahr auslief.
    Auch zwei andere duckten und wanden sich, sie waren so wenig zum Kämpfen bereit wie der erste. Nur der vierte hob entschlossen den Kopf, ein neunzehnjähriger Ire mit rostbraunem Haar, der den Namen Ian trug. Er hatte noch volle fünf Jahre vor sich und galt allgemein als unbelehrbar und widerspenstig. Er war schon so häufig von Harold Dunmore und dem Aufseher gepeitscht worden, dass sein Rücken eine einzige Masse aus schlecht verheilten Narben war.
    » Ich bin dabei«, sagte er nur. Die anderen drei hatten sich bereits in die Büsche geschlagen.
    Akin bückte sich zu dem Aufseher und nahm ihm Pistole, Zündbesteck, Lunte und Pulverhorn weg, um alles in seinen eigenen Leibgurt zu stecken. Er wusste, wie man damit umging, er hatte oft genug aufmerksam zugesehen, wie der Aufseher die Büchse lud und probeweise den Hahn spannte und manchmal auch, wenn es ihm gefiel, Schießübungen damit machte – meist an den Sonntagen, wenn der Herr bei seiner Familie in Bridgetown weilte. Einmal hatte er nur zum Spaß einen Sklaven an einen Baum binden lassen, einen Kürbis auf seinen Kopf gelegt und geschossen. Der Sklave hatte dabei ein Ohr verloren. Ein paar Tage später hatte sich die Wunde entzündet, und eine Woche danach war der Mann tot gewesen. Dem Herrn hatte der Aufseher erzählt, der Sklave sei mit der Machete unvorsichtig gewesen.
    Nachdenklich blickte Akin auf den Aufseher hinunter. Er versuchte abzuschätzen, wie lange dem Mann wohl noch blieb, um über seine Taten nachzudenken und über das, was mit ihm geschah. Vielleicht eine halbe Stunde. Nach kurzem Überlegen beugte er sich zu dem Mann hinab und schnitt ihm ein Ohr ab. Die Sklaven sahen ihm in stummem Einverständnis dabei zu. Der Schrei des Aufsehers ging in ersticktem Bluthusten unter.
    Alle Schwarzen, die noch geblieben waren – mit den Yoruba ein gutes Dutzend –, folgten Akin zu den Hütten, wo sich sofort aufgeregtes Geschrei erhob, als die blutbefleckten Sklaven auftauchten. Manche von ihnen hatten Angst, aber die meisten hatten gewusst, dass dieser Tag kommen würde, und blieben in gefasster Haltung stehen, als Akin zu ihnen sprach.
    Wenn jeder Schwarze auf der Insel einen Weißen tötete, so wären sie frei und das Land in ihrer Hand. Je mehr jeder einzelne von ihnen tötete, umso schneller würde es gehen.
    Im Pulk machten sie sich auf zu den Arbeitsbaracken. Hier trafen sie weitere Sklaven und Schuldknechte an, die bereits Bescheid wussten. Einer der drei Männer, die sich davongemacht hatten, hatte ihnen vom Tod des Aufsehers berichtet. Von den sieben Schuldknechten, die in der Mühle und der Siederei arbeiteten, wollten sich fünf mit den Sklaven zusammentun, zwei zogen es vor, sich auf eigene Faust durchzuschlagen.
    Akin schnitt die Maulesel aus dem Geschirr und trieb sie mit Stockhieben fort. Danach machte er sich daran, das Mahlwerk zu zerstören. Er hebelte die Aufhängung des Querbalkens aus, benutzte diesen dann unter Mitwirkung von zwei anderen Sklaven als Ramme und stieß die Walzen aus

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