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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
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eifrig, aus dem Becher drang begeistertes Glucksen. Elizabeth wischte dem Kleinen den Mund ab. » Gut?«
    » Gut«, bestätigte Jonathan. Er legte den Kopf schräg und bedachte den Fremden dann mit einem zögernden Lächeln, welches, als Duncan unwillkürlich zurücklächelte, zu einem breiten Grinsen wurde. In der rechten Wange zeigte sich ein tiefes Grübchen, und die strahlend blauen, von dunklen Wimpern gesäumten Augen wurden zu Spiegeln von Duncans eigener Seele.
    » Allmächtiger«, sagte er erschüttert.
    » Bitte mach ihm keine Angst«, sagte Elizabeth warnend. » Und vor allem – sprich nicht zu deutlich vor ihm darüber. Er kann vielleicht noch nicht besonders viel reden, aber er versteht alles. Und plappert es vielleicht später irgendwann zu den unmöglichsten Gelegenheiten nach.«
    » Ich verstehe.« Duncan holte angestrengt Luft und nahm den zweiten Becher. Er trank ein paar Schlucke und bemühte sich um einen heiteren, sorglosen Gesichtsausdruck, weil das Kind ihn betrachtete.
    » Hast du nicht Angst, dass es jemandem auffällt?«, fragte er vorsichtig.
    » Ständig«, sagte sie. » Erst recht, wenn du dich in der Nähe herumtreibst und als Vergleich dienst. Du kannst dir sicher vorstellen, warum ich keinen großen Wert darauf lege.«
    » Oh. Nun ja, unter diesem Gesichtspunkt … Allerdings musst du mir wohl zugutehalten, dass ich davon keine Ahnung hatte.«
    Ihre Mundwinkel kräuselten sich zu einem spöttischen Lächeln.
    » Du wusstest ganz genau, dass ich einen Sohn habe. Folglich hättest du dir schon längst die Frage stellen können, die dir gerade eben in den Sinn kam.«
    » Das hätte ich nicht. Denn ich glaubte, er sei bedeutend jünger.«
    » Warum sollte er?«
    Duncan zog verlegen die Schultern hoch, als er daran dachte, wie dieser Irrtum zustande gekommen war. Er hatte es von Claire erfahren, nachdem er über ein halbes Jahr nicht auf der Insel gewesen war. Sie hatten zusammen im Bett gelegen, in ihrem mit Samtbordüren, Messingleuchtern und anderem plüschigem Zierrat ausgestatteten Liebesnest im Obergeschoss des damals neu erbauten Chez Claire. Nachdem sein erstes Verlangen gestillt war, kam irgendwie die Rede auf seine Geschäfte mit den Pflanzern, von dort dann auf die Dunmores, und damit fand er endlich Gelegenheit, beiläufig nach Roberts junger Ehefrau zu fragen. Worauf Claire achselzuckend meinte, dass es dieser sicherlich gut gehe, nachdem sie die Geburt des Stammhalters gesund überstanden habe. Duncan erinnerte sich noch deutlich daran, was für einen Stich es ihm versetzt hatte, dass Elizabeth ein Kind bekommen hatte.
    » Wann war das?«, hatte er gefragt, obwohl Claire Anstalten gemacht hatte, ihn auf höchst verführerische Art vom Thema abzulenken.
    Die Französin hatte abermals die Achseln gezuckt, diesmal zwischen seinen Schenkeln.
    » Vor ein paar Wochen. Ist das wichtig? Die Frauen kriegen ständig Kinder hier, und so schnell, wie sie da sind, sterben sie auch wieder. Vertragen das Klima schlecht, les enfants misérables.«
    Entweder hatte sie ihn, was den Zeitpunkt anging, absichtlich belogen, oder sie hatte Wochen mit Monaten verwechselt. Zu jener Zeit musste der Kleine schon über ein halbes Jahr alt gewesen sein.
    » Es war wohl ein Missverständnis.« Duncan konnte es immer noch nicht fassen. » Warum hast du mir nie gesagt, dass er mein …«
    Sie legte sich mahnend den Finger auf die Lippen, doch Jonathan hatte zwischen den Sträuchern einen Schmetterling gesehen, den er umgehend zum Spielzeug auserkor. Neugierig tapste er los, die Hand nach dem durch die Luft taumelnden bunten Falter ausgestreckt.
    » Du hättest es mir sagen sollen«, sagte Duncan.
    Sie blickte ihn unergründlich an.
    » Wozu?«
    Ja, wozu? Was sollte er darauf antworten? Dass es sein Recht gewesen sei zu erfahren, dass er einen Sohn hatte?
    » Du hättest es mir sagen sollen«, wiederholte er eigensinnig.
    » Wann denn?«, fragte sie bitter. » Während du bei Claire im Bett lagst? Oder an einem von all den übrigen Tagen, an denen du so bedacht darauf warst, nur ja nicht in meine Nähe zu kommen?«
    Er ließ sich auf die Bank sinken, die im Schatten des Säulengangs stand. Mit einem Mal fühlte er sich wie ausgehöhlt, als sei ihm etwas Wichtiges geraubt worden.
    » Was hättest du getan, wenn du es gewusst hättest?« Sie blickte ihn eindringlich an, als sei ihr die Antwort auf diese Frage besonders wichtig.
    » Das, was ich schon längst hätte tun sollen.« Er nahm ihre Hand und zog sie

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