Inseln im Wind
dieser Ogoun auch gesagt, warum sie dorthin sollte?«, wollte er wissen.
» Um jemanden zu holen.«
» Wen denn?«
» Keine Ahnung. Celia meinte, eine verlorene Seele.«
» Das ist schlimmster Aberglaube! Wie kann sie bei so etwas mittun?« Für Edmond war es unbegreiflich, dass eine getaufte und gläubige Christin wie Celia sich mit heidnischen Zauberern gemeinmachen konnte. » Ob es an dem schwarzen Blut liegt, das in ihren Adern fließt?«
» Ich hab ihr Blut gesehen«, sagte Deirdre. » Es ist so rot wie deins und meins.«
» Du weißt, wie ich es meine.«
Deirdre beschloss, das Thema zu wechseln, denn es gab Wichtigeres, zum Beispiel ihr Vorhaben, sich in die Höhlen zurückzuziehen.
» Wir sollten uns ein paar Fackeln und Proviant holen, aber so, dass die anderen es nicht mitkriegen.«
Er dachte nach, dann nickte er, und Deirdre merkte erleichtert, dass es viel einfacher war, als sie erwartet hatte. Was ihren Plan betraf, ihn zur Rückkehr nach Irland zu überreden, so würde sie das noch einmal überdenken. Wenn er wirklich gern hier war … Nun, dann war sie es auch. Sie wollte einfach nur, dass es ihm gut ging. Das wollte sie sogar noch mehr, als bei ihm zu sein. Dass sich das eine mit dem anderen verknüpfen ließ, hätte sie nie zu hoffen gewagt, und doch schien es plötzlich möglich. Mit einem Mal war sie so guter Dinge, dass sie am liebsten laut gejubelt hätte. Die Angst vor den Suchkommandos ließ sich darüber beinahe vergessen. Doch dann erstarrte sie, und auch Edmond blieb reglos stehen. Von ferne ertönte das vereinbarte Pfeifsignal, mit dem die Wachen, die in ausreichender Entfernung rund um das Lager postiert waren, nahende Eindringlinge ankündigten. Es folgten mehrere warnende Rufe. Deirdre geriet in Panik. War es schon so weit? Kam es jetzt zum Kampf?
Edmond und sie konnten sich unmöglich ohne Licht zur Höhle durchschlagen. Wenn sie jetzt nicht mehr zum Lager zurückkehren konnten, um sich eine Fackel oder Laterne zu holen, würden sie sich bis zum Morgengrauen verstecken müssen. Vielleicht konnten sie auf einen der Bäume steigen. Oder sich in die Erde eingraben. Aber wofür immer sie sich entschieden – sie mussten sich beeilen. Dann hörte sie aus dem Lager die Stimme einer Frau, und gleich darauf den Doppelpfiff, der anzeigte, dass keine Gefahr drohte. Celia war wieder da.
Als Deirdre und Edmond ans Feuer traten, blickte Celia auf. Akin saß neben ihr, einen Arm um sie gelegt. Er machte nun keinen Hehl mehr aus seiner Zuneigung, was Deirdre veranlasste, Edmond mit einem Blick von der Seite anzusehen, in dem ein versteckter Vorwurf lag. Sie wusste selbst nicht recht, was sie dazu trieb, und schnell wandte sie sich wieder der Mulattin zu.
» Was machst du nur für Sachen?«, schalt sie.
» Es geht mir gut«, behauptete Celia. » Ich bin nur müde.«
Damit übertrieb sie gewiss nicht. Ihr Haar war zerzaust, und die Erschöpfung stand ihr im Gesicht geschrieben. Schrammen verunzierten ihre zarte Haut, und unter den mandelförmigen Augen lagen tiefe Schatten. Deirdre verwünschte im Stillen diesen Ogoun, sofern es ihn denn gab, weil er die Mulattin zu dieser Schinderei gezwungen hatte, und das so kurz nach ihrer Fehlgeburt. Vielleicht steckten aber auch nur die verdrehten Ideen dieses Abass hinter dem erzwungenen Ausflug. Greise wurden manchmal wunderlich und kamen auf die abstrusesten Gedanken.
Fröstelnd blickte Deirdre zum Himmel auf. Die Sterne und der Mond waren verschwunden, es hatte sich zugezogen. Der Wind wurde immer lauter und fegte totes Laub über den Lagerplatz und ins Feuer. Funken stoben auf und erhellten die stoischen Gesichter der ringsum hockenden Männer. Mit den Übrigen, die ein wenig abseits vom Feuer lagerten und schliefen, waren sie an die vier Dutzend, darunter acht Weiße. Alle hatten ihre Waffen griffbereit neben sich liegen. Ob sie ernsthaft glaubten, ihre Freiheit zurückerobern und behalten zu können? Aber vielleicht hofften sie ja auf ein Wunder, so wie Deirdre selbst es schon oft getan hatte. Einmal war ihr sogar eines widerfahren, an jenem Tag, als sie Edmond über den Weg gelaufen war. Halb verhungert war sie im Sommer in seine Kirche gestolpert, war ihm förmlich in die Arme gefallen, und er hatte sie aufgefangen, im wahrsten Sinne des Wortes. Sollte das kein Wunder gewesen sein?
» Und, hast du eine verlorene Seele mitgebracht?«, wollte sie neugierig von Celia wissen.
Diese nickte.
» Anne Noringham. Auf Summer Hill gab es ein
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