Inseln im Wind
hatte ihr die durchweichten Stiefel ausgezogen und eine Decke um ihre Schultern gelegt.
» Um Gottes willen!«, rief Robert.
» Mir ist nichts geschehen. Das war nicht mein erster Sturz. Es passiert gelegentlich, wenn man über ein Hindernis setzt. Dummerweise bin ich diesmal im Bach gelandet. Ein heißes Bad wird das in Ordnung bringen.«
» Bist du sicher?«
» Ganz sicher.«
Harold Dunmore stand am Fuß der Treppe, auf ihrem Weg nach oben musste sie an ihm vorbei. In seinem Blick meinte sie Bewunderung aufblitzen zu sehen. Mit gesenkten Lidern huschte sie an ihm vorüber und die Treppe hinauf. Ihre bloßen Füße tappten über den kalten Stein, sie lief, so schnell sie konnte. Oben kam ihr Felicity entgegen, eine pelzgefütterte Decke in den Händen.
» Was machst du nur für Sachen! Und das am Vorabend deiner Hochzeit! Du wirst dir noch den Tod holen!«
Das wäre nur verdient, dachte Elizabeth voller Ingrimm. Sie saß über eine Stunde im Badezuber, die Mägde schütteten mehrmals heißes Wasser nach, während Elizabeth verbissen ihren Körper mit Seife und Bürste bearbeitete, als hätte sie die erlittene Schmach wegschrubben können. Felicity wusch ihr das Haar mit duftender Lavendelseife und beklagte dabei ein ums andere Mal Elizabeths Leichtsinn.
» Das kommt davon, wenn ein Mädchen im Herrensattel reitet!«, schimpfte sie.
Elizabeth hätte fast hysterisch aufgelacht angesichts dieser ungewollten Zweideutigkeit. Stattdessen starrte sie stumm in das dampfende Wasser, die nassen Haare herabhängend und den Kopf gesenkt, um ihr Gesicht zu verbergen. Es schien zu klappen, denn niemand fragte sie, warum sie so verstört war, obwohl sie doch keinerlei Blessuren davongetragen hatte. Alle Welt glaubte, die Hochzeit mit Robert Dunmore sei der Grund für ihr geistesabwesendes Verhalten. Die scheue Ängstlichkeit einer Braut. Und wenn es nicht daran lag, dann an der bevorstehenden weiten Reise. Es gab genug gute Gründe.
Und so wurde sie am nächsten Tag in ihr seidenes Hochzeitskleid gesteckt und mit Schmuck behängt. Ihr Haar wurde zu steifen Locken gedreht und mit dem bestickten Brautschleier verziert. Unter dem dünnen Geläut der Hauskapelle begann die Hochzeitszeremonie. Ihr Vater führte sie feierlich zum Altar, wo der Geistliche in einer endlosen Folge lateinischer Worte die Trauung vollzog. Den neben ihr stehenden Bräutigam in seinem blausamtenen Hochzeitsstaat nahm Elizabeth kaum wahr, und auch sein Ehegelübde drang nur wie von fern an ihr Ohr. Ihren eigenen Schwur flüsterte sie eher, als dass sie ihn sprach, und mittendrin verhaspelte sie sich und musste von vorn anfangen.
» Ich, Elizabeth Mary Catherine Raleigh, nehme dich, Robert Harold Henry Dunmore, zu meinem mir angetrauten Ehegatten. Ich gelobe, dich zu ehren und zu lieben, von diesem Tage an, bis dass der Tod uns scheidet.« Sie konnte ihn nicht ansehen, doch zum Glück schien es auch niemand von ihr zu erwarten. Was er dachte, wusste sie nicht, und wenn sie in sich hineinhorchte, kümmerte sie es auch nicht. Die Ringe wurden getauscht, der Geistliche erteilte dem Bund seinen Segen. Als nach dem Ende der Hochzeitsmesse die wenigen versammelten Menschen unter erneutem Geläut aus der Kirche zogen, setzte ein unerwarteter Regenschauer Elizabeths Erstarrung ein Ende. Zum ersten Mal blickte sie Robert an. Er wirkte glücklich und gelöst, sein Lachen ließ ihn wie einen strahlenden jungen Gott aussehen, schöner als jener auf dem Gemälde. Nass vom Regen, beugte er sich vor, um sie zu küssen. » Jetzt sind wir Mann und Frau! Endlich!«
Sie zwang sich dazu, sein Lächeln zu erwidern. Das hier war ein Kontrakt, der einzuhalten war. Sie war eine Verpflichtung eingegangen, die sie zu erfüllen hatte. Was immer dafür nötig war – sie würde es ertragen, denn sie rettete damit ihren Vater. Das gestrige Ereignis zählte nicht. Es war vorbei, und sie würde es aus ihrem Gedächtnis löschen. In der Halle nahm ihr Vater sie zur Seite.
» Bist du glücklich, Lizzie?«
» Ja, natürlich«, behauptete sie.
» Das ist schön.« Der Viscount hielt inne. Er schien noch etwas sagen zu wollen, doch er wurde unterbrochen, ein Pulk von Gästen drängte lachend heran und nahm sie beide in die Mitte.
Die anschließende Feier im Bankettsaal des Herrenhauses wurde begleitet von dem unaufhörlich rauschenden Regen. Über Stunden hinweg prasselte er gegen die Fenster, eine monotone Untermalung der Geigen und Flöten, die im Hintergrund erklangen. Die
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