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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
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weißlich schimmerten.
    Elizabeth blieb im Hof stehen und blickte zum Himmel hinauf, wie immer betört von der Sternenpracht. Gedankenverloren ging sie zum Brunnen in der Mitte des Patios, wo sie sich auf die steinerne Einfassung setzte. Sie zog sich die Nadeln aus dem Haar und schüttelte die von der Wärme feuchten Locken aus, dann streifte sie die Schuhe ab, die genauso neu waren wie das Kleid und ihre Füße nicht minder beengten. Sie schob einen der spitzenbesetzten Ärmel hoch und hielt die Hand vor den plätschernden Wasserspeier, der die klassische Form eines Löwenmauls hatte – ebenfalls ein teurer Import, der Duncan Haynes zu verdanken war. Das Wasser war kalt auf ihrer Haut. Ihr Arm, ohnehin von der Sonneneinstrahlung so braun wie geölte Kokosnuss, wurde unter dem Schleier des Wassers noch dunkler, fast schwarz. Nur der Ehering an ihrer Hand schimmerte hell, als wolle er sie daran erinnern, dass es noch anderes in ihrem Leben gab, das sie aushalten musste, ob sie es nun wollte oder nicht.
    Einige plaudernde Frauen näherten sich dem Brunnen, in ihrer Mitte Reverend Martin, dessen in donnerndem Ton vorgetragene Sonntagspredigten Elizabeth schon manches Mal die Laune verhagelt hatten. Besonders ausdauernd wetterte er gegen die Versuchungen der Unzucht, die allein vom Weibe ausgingen. Elizabeth hatte den deutlichen Eindruck, dass er dabei mehr als einmal in ihre Richtung gespäht hatte. Sie wartete gar nicht erst ab, bis die Gäste den Brunnen erreichten. Hastig sprang sie auf und ignorierte die abschätzigen Blicke, als sie das Feld räumte. Mit ihrem gelockerten Mieder, dem offenen Haar und barfüßig bot sie zweifelsohne den Damen und dem Reverend wieder reichlich Gesprächsstoff, doch das kümmerte sie herzlich wenig. Sie ging zurück ins Haus und an der gegenüberliegenden Seite schnurstracks wieder nach draußen, vorbei an den Ställen und Schuppen in Richtung Strand. Sie hatte das beinahe schmerzhafte Bedürfnis, allein zu sein. Hier draußen war es still und menschenleer, die reinste Wohltat. Ein Lehmpfad führte den sanften, mit Dünengras bewachsenen Hang hinab zum Meer. Es war nicht weit bis zum Wasser, kaum eine Viertelmeile. Vereinzelt war in der Ferne das Flackern von Laternen auszumachen, dort, wo sich die nächsten Behausungen befanden – ein schwacher Widerschein in der Dunkelheit. Der Hafen, ein weites Halbrund jenseits des nächsten Hügels, war von hier aus nicht zu sehen, doch auch dorthin waren es nur ein paar Steinwürfe. Das Rauschen der Brandung tönte durch die Nacht, ein auf- und abschwellendes Brausen, Gurgeln und Klatschen, in stetem Kommen und Gehen. Der Sand unter Elizabeths Füßen war noch warm von der Hitze des Tages. Hin und wieder trat sie auf Steinchen oder Muschelschalen, doch das störte sie nicht.
    Es war dunkel, aber nicht völlig finster. Die zahlreich blinkenden Sterne erhellten die Nacht kaum, aber das Licht der Fackeln, die an den Außenwänden der Villa brannten, folgte Elizabeth auf ihrem Weg zum Meer. Je weiter sie sich entfernte, desto schwächer wurde es, doch sie konnte noch erkennen, wohin sie ihre Füße setzte. Außerdem hätte sie den Weg auch blind gefunden. Sie ging oft mit Jonathan zum Strand hinunter, um ihm Muscheln oder Schnecken zu zeigen. Er liebte es, in den flachen Wellen herumzuplanschen oder Steine ins Wasser zu werfen. Manchmal ließ sie sich und den Kleinen von einem Diener ein Stück hinausrudern, um fliegende Fische zu beobachten, von denen es rund um die Insel nur so wimmelte. Jonathan jubelte jedes Mal vor Begeisterung, wenn sie die Wasseroberfläche durchbrachen und weit durch die Luft segelten. Einmal war Robert mitgekommen. Er hatte den Kleinen auf dem Schoß gehalten, das Kinn auf Jonathans Scheitel und einen versonnenen, zufriedenen Ausdruck in den Augen. Damals hatte Elizabeth darum gebetet, Duncan aus ihrem Gedächtnis streichen zu können. Sie hatte sich geschworen, Robert lieben zu lernen, wenn ihr künftig Nachmittage wie dieser vergönnt wären. Sie und er und Jonathan: eine Familie.
    Sie hatte sich so verzweifelt gewünscht, mit ihm glücklich zu werden. Doch wenig später begannen seine Affären erneut, und seither war kein Tag vergangen, an dem sie nicht an Duncan gedacht hätte. Kein einziger.
    Duncan sah sie das Haus verlassen und in Richtung Strand aufbrechen. Auf der Stelle verwarf er seinen Plan, zu der Feier zu gehen, und folgte ihr – in ausreichend großem Abstand, damit sie sie ihn nicht bemerkte. Dabei fragte

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