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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
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Menschen Zwangsdienst taten, denn tatsächlich war der Sklavenhandel deutlich schlimmer. Menschen wie Vieh zu verkaufen, nackt und bar jeder Würde, sie zum Eigentum anderer zu degradieren, die bis zu ihrem Tod ungehindert über ihr Leben bestimmen konnten – das konnte nur gegen Gottes Gebote sein. Doch Martha plapperte in Erwiderung von Niklas’ Bemerkung umgehend nach, was sie irgendwo aufgeschnappt und sich eingeprägt hatte. » Eigentlich sind Schwarze ja keine richtigen Menschen. Jedenfalls nicht solche wie wir. Man sagt, dass sie eher wie Tiere sind. Schon weil sie so aussehen. Und sie verstehen nicht, was man ihnen sagt.« In dieser Art ging es noch eine Weile weiter. Elizabeth war schon fast so weit, ihrer Schwiegermutter wütend das Wort abzuschneiden, als ihr Blick auf einen Schwarzen fiel, der nicht bei den Übrigen im Pferch hockte, sondern außerhalb stand und wartete. Er mochte ungefähr Mitte zwanzig sein. Er war von riesenhafter Statur, annähernd sieben Fuß groß. Anders als die Elendsgestalten in dem Pferch war er muskulös. Seine Wangen wiesen eine Reihe regelmäßig angeordneter, seit Langem verheilter Narben auf, als hätte man ihm einst absichtlich dort Schnitte zugefügt. Er beobachtete das Geschehen mit scheinbar stoischer Miene, doch wenn man genauer hinsah, konnte man es in seinen Augen lodern sehen.
    » Wer ist das?«, fragte Elizabeth ihre Schwiegermutter, denn erst jetzt war ihr aufgefallen, dass der Mann Harolds Apfelschimmel am Zügel hielt. Martha folgte ihrem Blick.
    » Oh, von dem hab ich dir schon erzählt, glaube ich. Das ist Akin.«
    Akin starrte die jämmerlichen Schwarzen in dem Pferch an. Sie hockten stumm in der Sonne, die Köpfe eingezogen und die Blößen, so gut es ging, bedeckt. Keiner von ihnen wagte ein Wort zu sagen, die meisten von ihnen blickten aus Furcht vor Schlägen nicht einmal auf. Für die Weißen waren sie nicht mehr als Tiere, und wie Tiere wurden sie nun auch verkauft, einer nach dem anderen.
    Ein Teil der Zuschauer hatte sich bereits verzogen, es war zu heiß, um lange in der Sonne zu stehen, die allmählich ihren höchsten Stand erreichte. Die weiße Herrin war gegangen, ebenso die jungen Frauen sowie der holländische Kapitän. Geblieben war nur der Herr, der in gebieterischer Pose innerhalb der Umfriedung stand und seine Gebote abgab.
    Darin war der Herr ein Meister. Er war immer mit dem letzten Gebot zur Hand, wenn es um einen Schwarzen ging, den er haben wollte. Sie alle waren jung, groß und von vielversprechender Statur. Natürlich erbärmlich dünn und schwach von der Überfahrt, doch das würde sich bald ändern, so wie es auch bei Akin geschehen war. Bei seiner Ankunft vor fünf Jahren hatte er kaum genug Kraft gehabt, sich in den Pferch zu schleppen, doch der Herr hatte das, was von seiner früheren Kraft noch übrig war, auf den ersten Blick erkannt und ihn ersteigert. Für so viel Geld, wie er noch nie zuvor für einen Sklaven ausgegeben hatte, beinahe so viel wie Master Noringham von Summer Hill für seinen einarmigen Schwarzen, dessen Fertigkeiten bei der Zuckerbereitung unerreicht waren und von dem man sagte, er sei sein Gewicht in Gold wert. Unbeteiligt beobachtete Akin die Schwarzen, die in einer Ecke des Pferchs zusammengetrieben wurden, ein rundes Dutzend an der Zahl. Das neue Eigentum des Herrn. Sie hätten es schlechter treffen können. Schläge würde es zwar reichlich geben, der Aufseher war grausam und brutal, und nicht minder brutal war der Herr. Er schwang die Peitsche mit einer Inbrunst, die ihresgleichen suchte. Doch anders als der Aufseher, der am Auspeitschen Vergnügen empfand, tat der Herr es aus dem Bedürfnis heraus zu strafen. Kleinste Verfehlungen trugen Peitschenhiebe ein. Ein umgestoßenes Gefäß reichte bereits. Dann die üblichen Vergehen, von Faulheit und Aufsässigkeit über Diebstähle und Schlägereien bis hin zum Fluchtversuch. Nur einer hatte bisher zu fliehen versucht, und er war an den Schlägen gestorben, denn die Strafe waren einhundert Hiebe gewesen. Alle hatten bei der Auspeitschung zusehen müssen. Der Herr hatte selbst die Peitsche geführt, vom ersten bis zum letzten Schlag, und seine Kraft hatte bis zum Ende nicht nachgelassen, obwohl die Innenfläche seiner Hand von dem harten Griff der Peitsche am Schluss geblutet hatte und ihm der Schweiß in Strömen von der Stirn geflossen war. Der Schwarze hatte längst als zerfetztes, besinnungsloses Bündel im Staub gelegen, und der Herr hatte weiter auf

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