Inseln im Wind
ihm schon anvertraut, so wie heute Nachmittag die Sache mit Robert Dunmore, kurz bevor dieser hergekommen war. Es war erstaunlich, dass Duncan noch nichts davon erfahren hatte, obwohl er doch oft genug auf der Insel war.
» Bisher trieb er es hauptsächlich mit den Dienstmädchen in Dunmore Hall«, hatte sie erzählt. » Er hatte sozusagen immer mehrere in Gebrauch. Doch neulich ist dort irgendwas passiert. Eine der irischen Mägde war auf einmal weg, wie ich hörte – von einem Tag auf den anderen. Keiner weiß, wo sie ist. Seitdem muss er seine Gelüste woanders abreagieren. Sein Vater hat ihm die Hausmädchen verboten. Und mit den Schwarzen auf der Plantage darf er es auch nicht tun, das durfte er noch nie. Die übrigen Affären, die er ab und zu auf der Insel hat, reichen ihm nicht. Also kommt er her.« Sie schüttelte den Kopf und schnalzte mit der Zunge. » Und zwar oft. In den beiden letzten Wochen war er bestimmt schon zehnmal hier.«
» Er scheint es nötig zu haben.«
» Das hat er.« Claires Stimme klang sachlich. » Er ist süchtig danach.«
Duncan hatte gelacht, weil er annahm, sie mache einen Witz, doch sie hatte es völlig ernst gemeint.
» Es ist ein Zwang. Er ist ein armes Schwein, Duncan. Er kann nicht dagegen an. Und bei seiner Frau darf er nicht ran, also muss er es woanders loswerden.«
Das zu hören erfüllte Duncan mit einer absurden Befriedigung – und zugleich mit Verachtung.
» Es gibt Dinge, bei denen ein Mann sich selbst helfen kann«, meinte er geringschätzig. » Frag mal die Männer auf meinem Schiff, dort muss es oft Monate ohne Weiber gehen.«
» Na ja, da gibt es durchaus Unterschiede, denn er hatte laufend jede Menge Frauen in Reichweite. Warum sollte er sich ihrer nicht bedienen? Die feine Madame aus England macht für ihn schon lange nicht mehr die Beine breit, was soll er also tun?«
Duncan fuhr auf, verkniff sich jedoch die unwirsche Erwiderung, die ihm auf den Lippen lag, denn er spürte, dass Claire ihn auf seltsam abwägende, beinahe lauernde Weise musterte, als habe sie diese Reaktion erwartet.
» Mit Robert wird es eines Tages noch ein schlimmes Ende nehmen.«
» Wie kommst du darauf?«, wollte er wissen.
» Er hat es selbst gesagt. Neulich erst. Claire , hat er gesagt, eines Tages nimmt es ein schlimmes Ende mit mir . Und als ich ihn dasselbe fragte, wie du mich gerade – nämlich, wie er darauf käme –, gab er zur Antwort, dass er dieses Wissen ganz tief in sich spüre. Er habe auf unerklärliche Weise immer schon gewusst, dass er früh sterben werde, und in der letzten Zeit sei diese Ahnung fast zur Gewissheit geworden. Er meinte: Ich fühle mich wie eine verglühende Lunte, und nur wenn ich Liebe machen kann, vergesse ich, dass mein Leben bald zu Ende ist.«
» Der Kerl ist verrückt«, sagte Duncan im Brustton der Überzeugung.
» Keine Frage«, bestätigte Claire, aber er meinte, aus ihrer Stimme einen Hauch Mitleid herauszuhören.
Ablehnend sagte er: » Vielleicht stirbt er an der Französischen Krankheit, wenn er so weitermacht.«
» Oh, du weißt, ich täte es nie mit einem Mann, der nicht völlig sauber ist, mon ami! Und nenn es bitte nicht die Französische Krankheit, hein?« Sie betrachtete ihn, und er meinte, eine Spur von Berechnung in ihrem Blick wahrzunehmen. » Wärst du froh, wenn er tot wäre?«
» Warum sollte ich das sein?«, fragte er ein wenig gereizt.
» Weil du dann ungestörten Zugang zu seiner Witwe hättest.« Ihre Augen funkelten plötzlich sehr grün.
Er setzte sich auf und nahm die Beine vom Tisch.
» Wenn du mir was sagen willst, spuck es aus.«
» Warum so unfreundlich?«, protestierte sie liebenswürdig. » Ich will doch nur ein bisschen plaudern. Ich könnte dir zum Beispiel eine Menge über diese Pflanzer erzählen, die morgen bei den Noringhams zusammenkommen. Ich kenne sie fast alle, jedenfalls die, die im Rat was zu sagen haben. Benjamin Sutton. Jeremy Winston. Alle, die Rang und Namen haben. Du ahnst nicht, wie viele schwache Seiten und dumme kleine Geheimnisse sie haben. Im Bett reden sie alle. Sogar der mächtige Harold Dunmore. Wir haben uns auf der Überfahrt ein bisschen kennengelernt, weißt du? Manchmal kommt er nachts her. Er nimmt die Hintertreppe. Es dauert nie lange, für ihn ist es ein Geschäft, so wie für mich. Aber er ist dankbar, mir manchmal sein Herz ausschütten zu können. Unter anderem weiß ich, dass er dich verabscheut. Weil du ein gewissenloser und gottverfluchter Pirat bist.«
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