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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
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man kann nur daran verdienen. Am Zucker, am Tee, am Kaffee, an den Sklaven. Jeder gewinnt.«
    Jeder – bis auf die Sklaven, hatte Elizabeth gedacht, doch sie hatte nichts gesagt, weil Harold auf Widerworte stets cholerisch reagierte.
    An jenem Nachmittag im Oktober, als Elizabeth die Ankunft der holländischen Fleute beobachtete, war Markttag in Bridgetown. Es war drückend schwül, die gleißende Sonne verzehrte nur allmählich die dumpfen Schwaden, die der letzte Regenschauer hinterlassen hatte, die Wege waren zum Teil noch schlammig. Über dem Platz flimmerte die Hitze, ein Gemisch aus Geräuschen und Gerüchen verdickte die feuchte Luft. Fluchende Kutscher lenkten ihre schwer beladenen Fuhrwerke stadteinwärts. Händler schoben ihre Karren über die Brücke, die sich über den mitten durch den Ort führenden Constitution River spannte. Verschwitzte Körper bahnten sich ihren Weg vorbei an allerlei Sammelsurium, bestehend aus Holzgeschnitztem für jeden Bedarf, schiefen Körben aus Schilf, Tonwaren und aufgespannten Lederhäuten, die in der Sonne vor sich hin stanken. Daneben fanden sich Stände mit Essbarem, vornehmlich Fisch, meist frisch gefangen, aber es war zweifellos dem Geruch nach zu urteilen auch welcher vom Vortag darunter. Angeboten wurden ferner Mangos, Kokosnüsse, Melonen und Wurzelgemüse in allen Variationen. Hühner gackerten in ihren Käfigen und flatterten wild mit den Flügeln, sobald sie ihren neuen Besitzern übereignet wurden.
    Ein buntes Volksgemisch drängte sich auf dem Markt, alteingesessene Pflanzersfrauen wie Martha Dunmore und Isobel Sutton fanden sich neben zerlumpten Seeleuten, die Landgang hatten und auf ihr Vergnügen aus waren. Ein paar von Claire Dubois’ Mädchen flanierten ebenfalls unternehmungslustig durch die Menge, die eleganten Kleider tief ausgeschnitten, Sonnenschirme über den sorgfältig ondulierten Köpfen und mehrere kleine schwarze Zofen im Gefolge, die ihnen die Einkäufe tragen mussten. Zwei Lakaien schleppten eine mit Troddeln verzierte Sänfte, und als Elizabeth hineinspähte, sah sie, dass eine steinalte, ganz in Schwarz gekleidete Frau darin saß, die mit offenem Mund schlief.
    Einige Bukanier hatten sich ebenfalls auf dem Markt eingefunden, eine Horde abgerissener, bis an die Zähne bewaffneter Gestalten, die von Tortuga herübergekommen waren, wo sie Jagd auf wilde Rinder machten, deren Fleisch und Häute sie auf den Antillen verkauften. In einer abgeteilten Ecke fand ein Hahnenkampf statt, etliche Marktbesucher hatten sich um das lärmende Geschehen geschart und ihre Wetten ausgebracht. Unter aufmunterndem Geschrei feuerten sie ihren jeweiligen Favoriten an, wobei auch die eine oder andere Handgreiflichkeit nicht ausblieb.
    Felicity und Niklas Vandemeer waren an einem der Stände stehen geblieben, wo sie einen Teppich begutachteten, dessen orientalische Muster in allen Farben leuchteten. Die beiden waren ein schönes Paar: Felicity in dem luftigen Kleid aus heller Baumwolle und mit einem Strohhut, von dem bunte Seidenbänder flatterten; der holländische Kapitän mit figurbetonter Weste, schneidig engen Beinkleidern und blitzender Säbelscheide an der Seite.
    Es roch nach Fisch, fauligem Abfall, Fäkalien und Schweiß, aber auch nach dem köstlichen Stew aus der Garküche, die ein Schenkenbesitzer unter einem Strohschirm aufgebaut hatte, nach den aromatischen Früchten, die eine Mulattin vor sich auf einem Tuch ausgebreitet hatte, und nach dem Bergamottöl, das ein schläfrig dreinblickender Händler in seinem Bauchladen feilhielt.
    Mit dem beschaulichen Idyll war es schlagartig vorbei, als die Ankunft des Sklavenschiffs angekündigt wurde. Lauthals rief jemand vom Hafen her, dass neue Neger kämen, ein anderer gab den Ruf weiter, und schon erhob sich von allen Seiten erwartungsvolles Stimmengewirr: Ein jeder wollte nur noch zum Kai und beim Ausladen zusehen. Elizabeth ließ sich gemeinsam mit Martha im Gedränge strandwärts schieben.
    Das Schiff war heruntergekommen, die Takelung verrottet, der Rumpf verdreckt, kein Vergleich mit der stets schmuck herausgeputzten Elise und der ebenfalls gepflegten Eindhoven, die nach der schweren Havarie im vorletzten Jahr gründlich überholt und mit neuen Masten und frischem Tuch ausgestattet worden war. Erwartungsvoll starrten die Menschen am Strand das Schiff an. Sie sahen zu, wie die Ladeluke geöffnet wurde und reihenweise Schwarze an Deck getrieben wurden, die meisten davon Männer, aber auch einige Frauen. Sie

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