Inseln im Wind
waren nackt, wie Gott sie geschaffen hatte.
Der bestialische Gestank nach Exkrementen war sogar auf diese Entfernung zu riechen. Ein Aufseher schwang einen Knüppel und trieb die menschliche Fracht zur Reling, wo die Sklaven einer nach dem anderen über ein Fallreep in ein Boot gescheucht wurden, das sie an Land brachte. Zusammengekauert saßen sie da, die Köpfe mit den kurz geschorenen, seltsam wolligen Haaren gesenkt. Als das Boot näher kam, sah man, dass viele von ihnen mit entzündeten Peitschenstriemen übersät waren. Ihre Körper waren mager, manche regelrecht dürr.
» Die werden wir erst mal mühsam aufpäppeln müssen«, sagte ein Pflanzer, der einige Schritte hinter Elizabeth stand, verärgert zu seiner Frau.
Unterdessen wurden auf dem Schiff dunkle Bündel aus der offenen Ladeluke gehievt. Erst beim zweiten Hinsehen erkannte Elizabeth, dass es sich um tote Schwarze handelte, ungefähr ein halbes Dutzend an der Zahl.
» Da sind ja Tote dabei«, sagte die Frau des Pflanzers erschrocken.
» Das sind nur die, die zuletzt abgekratzt sind«, sagte ihr Mann. » Die anderen hat man schon auf hoher See zu den Haien befördert. Ein Viertel geht meist während der Reise ein, das ist der Schnitt. Manchmal mehr. Vom letzten Transport kam nur die Hälfte an. Heute sieht die Quote ganz gut aus, es sind wirklich reichlich übrig geblieben.«
» Warum sind denn so viele von ihnen gestorben?«
Der Pflanzer seufzte, als hätte seine Frau keine dümmere Frage stellen können.
» Die sind die ganze Reise über in Ketten unter Deck, acht Wochen und länger. Da gibt es nun mal Ausfälle. Und jetzt sei still. Da kommen sie!«
Das Boot erreichte den Kai, die Sklaven wurden von dem Aufseher unter Schlägen an Land getrieben. Vor dem erbärmlichen Zug bildete sich eine Gasse naserümpfender, sensationslüsterner Zuschauer, die sich keine Einzelheit entgehen lassen wollten. Währenddessen legte die Barkasse wieder ab, in Richtung Schiff, wo mindestens noch zwei weitere Bootsladungen Sklaven darauf warteten, ebenfalls übergesetzt zu werden. Elizabeth verfolgte erschüttert das Geschehen, ebenso wie Felicity, die sich zusammen mit Niklas Vandemeer zu ihr und Martha gesellt hatte.
» Die armen Menschen«, sagte Felicity.
» Die sind unglaublich robust«, meinte Martha. » Sie können viel mehr verkraften als Weiße.«
Doch nun sah man genauer, wie ausgemergelt die Schwarzen wirklich waren. Ihre Knochen stachen heraus, man konnte die Rippen zählen. Sie waren verdreckt und von Schrunden und blutigen Abszessen übersät, ihre Augen lagen tief in den Höhlen.
Elizabeth sah, dass eine der Frauen, die an ihr vorübergetrieben wurde, hochschwanger war. Als sie stolperte und auf die Knie fiel, hieb der Aufseher mit einem Stock nach ihr. Die Frau schluchzte auf, rappelte sich hoch und schützte mit beiden Armen ihren runden Leib. Zusammen mit den Übrigen wurde sie in einen Pferch getrieben, den Elizabeth zwar schon gesehen, aber für eine Viehkoppel gehalten hatte. In einer Ecke gab es ein Podest, dessen Bedeutung gleich darauf klar wurde: Einer der Händler kündigte die Sklavenauktion an, die in einer Stunde beginnen sollte. Bis dahin konnten die Pflanzer sich die Ware ansehen und schon eine Vorauswahl treffen.
» Oh, ich bin sicher, Harold würde auch mitbieten wollen«, sagte Martha aufgeregt. » Er wird bestimmt sehr böse, wenn er nicht dabei sein kann.« Ihre Sorgen waren jedoch unbegründet. Elizabeth sah, dass ihr Schwiegervater bereits vor dem Pferch eingetroffen war. Hoch zu Ross ließ er den Blick über die hinter dem Gatter kauernden Schwarzen gleiten. Schließlich saß er ab und ging zu dem Händler, um mit ihm zu reden. Zusammen mit einigen anderen Pflanzern wurde ihm Zutritt zu dem Pferch gewährt, worauf der Händler mehrere Sklaven einzeln vorführte, indem er sie nacheinander auf die Füße zerrte, sie den Mund öffnen, hochspringen, sich ringsherum drehen oder ihre Geschlechtsteile vorzeigen und auf Wunsch auch andere Merkmale präsentieren ließ, die für die potenziellen Käufer von Interesse waren.
» Das ist unmenschlich«, sagte Elizabeth, deren Entsetzen nicht nachließ. Niklas Vandemeer drehte sich zu ihr um. In seiner Miene spiegelte sich ebenfalls Abscheu. » Das ist genau der Grund dafür, dass ich mich an dieser Art von Geschäften nicht beteilige«, bekannte er. » Sklaven kommen mir nicht aufs Schiff.«
Elizabeth versagte es sich, ihn darauf hinzuweisen, dass auf seinem Schiff verschleppte
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