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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
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erfreut über die Aussicht auf einen Spaziergang mit William.
    Lady Harriet runzelte die Stirn.
    » Das kann auch Celia übernehmen.«
    » Oh.« Williams Wangen färbten sich noch dunkler, als sei ihm eben erst bewusst geworden, dass man sein Ansinnen falsch auslegen konnte. » Natürlich.«
    Verlegen blickte Elizabeth in ihren Tee. Sie hatte sich nichts Böses gedacht bei Williams Angebot, und ebenso wenig, als sie es angenommen hatte. Offensichtlich hatte Harriet mehr darin gesehen.
    Die Peinlichkeit des Augenblicks verflog rasch wieder, William eilte zurück an die Arbeit, und die Frauen redeten über die bevorstehende Feier. Als die Nachmittagsschatten länger wurden, entschuldigte Elizabeth sich bei den anderen, sie werde ein Stück spazieren gehen. Anne erbot sich sofort, sie zu begleiten, doch Elizabeth erklärte, sie wolle lieber ein wenig allein sein. Anne nickte voller Verständnis. Da Elizabeth erst vor zwei Wochen vom Tod ihres Vaters erfahren hatte, gestand man ihr die Streifzüge zu, obwohl es die Noringhams nicht gern sahen, wenn sie ohne Begleitung fortging.
    Elizabeth holte ihren Strohhut aus der Kammer, die sie mit Anne und Felicity teilte.
    Das dumpfe Trommeln, das von den Sklavenhütten herüberklang, erzeugte eine träumerische Stimmung in ihr. Es war fast, als würde ihr Kopf sich dabei von allen Gedanken leeren, nichts war mehr wichtig. Der Blütenduft, der die schwüle Hitze anreicherte, berauschte ihre Sinne und erweckte in ihr den Wunsch, durch den Dschungel zu streifen und eins mit der Natur zu werden. Eine seltsame Rastlosigkeit hatte von ihr Besitz ergriffen. Die Stille des Tages schien sich auszudehnen und sie verschlucken zu wollen. In der fensterlosen, beinahe kühlen Eingangshalle des Hauses kehrte Celia den mit Steinplatten belegten Boden. Als Elizabeth an ihr vorbeikam, blickte sie höflich auf.
    » Wollt Ihr, dass ich Euch die neue Zuckerpresse zeige?« Als sie Elizabeths fragenden Gesichtsausdruck bemerkte, fuhr sie fort: » Master Noringham meinte, falls Ihr es wolltet, solle ich das tun.«
    Die Zuckerpresse interessierte Elizabeth nicht sonderlich. Auf Rainbow Falls gab es auch so ein Ding, und wenn man einmal gesehen hatte, wie die Zugtiere mit dumpf gesenkten Köpfen in endlosen Kreisen herumtrotteten, um die Mühle in Bewegung zu halten, reichte es völlig, um das dahinter stehende Prinzip zu begreifen. Sie wollte das Angebot der Mulattin dankend ablehnen, hielt dann aber inne.
    » Du kannst mir die Negerhütten zeigen«, sagte sie impulsiv. Da war sie noch nie gewesen, und sie wollte gern wissen, wie es dort aussah.
    Celia musterte sie erstaunt und ein wenig misstrauisch.
    » Die Sklaven arbeiten noch.«
    » Oh. Ich verstehe. Dann sollte ich vielleicht warten.«
    » Nein, nein«, sagte Celia hastig. » Ich kann Euch alles zeigen! Kommt nur einfach mit!«
    Sie stellte den Besen in die Ecke und ging eilfertig voraus, und Elizabeth folgte ihr zögernd. Vom Haus führte ein Trampelpfad zwischen Fächerpalmen und Papayabäumen hindurch, vorbei an den Schuppen, in denen Mühle, Siederei und Lager untergebracht waren. Auf diese Weise sah Elizabeth doch noch die neue Mühle, die wie auf Rainbow Falls von Maultieren gezogen wurde. Dumpfer Viehgeruch lag über dem Gelände, ein Schwarm von Fliegen umsummte die Tiere. Von der benachbarten Siederei ging eine unmenschliche Hitze aus, sie kam von den gemauerten, mit den abfallenden Resten des Zuckerrohrs befeuerten Öfen, über denen in gewaltigen Kupferkesseln die blubbernde Melasse aufgekocht wurde. Zwischen den wogenden Schatten aus Rauch und Dampf bewegten sich schwarze Leiber, Sklaven, die nackt waren bis auf ihr Lendentuch, die Haut glitschig vor Schweiß und die Augen vom beißenden Qualm gerötet. Am Rand des Geschehens hielt sich William auf, der mit einem der Arbeiter sprach. Er winkte erfreut, als Elizabeth und Celia vorbeikamen, doch gleich darauf wurde er von einem einarmigen alten Schwarzen gerufen und verschwand in der wabernden Hitze des Siedeschuppens.
    Der Weg führte weiter, in Richtung des Zuckerrohrs, das wie eine einzige grüne Wand das Sichtfeld nach zwei Himmelsrichtungen hin einschränkte – nach Norden, wo sich die größte Ausdehnung der Plantage befand, sowie nach Süden, wo es ebenfalls etliche bepflanzte Morgen Grund gab. Östlich lag das Meer, zum Westen hin erstreckte sich urwüchsiger Dschungel. Der Weg nach Bridgetown – der kaum mehr war als vielfach ausgefahrene Wagenspuren – führte dicht an der

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