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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
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zuckte zusammen von dem lauten Geräusch.
    Sie drehte sich von der Mulattin weg und eilte weiter, stolperte durch die Nacht, wollte nur noch weg, denn wenn sie blieb, konnte es geschehen, dass etwas Fremdes sie holte und verschlang. Sie fing an zu rennen, fiel hin, rappelte sich wieder auf und rannte weiter. Sie lief und lief, bis sie gegen jemanden stieß, der sie packte und umklammerte. Ihr Aufschrei wurde von einer Hand erstickt, die ihr den Mund zuhielt.
    » Um Gottes willen, Lizzie!«
    Es war Duncan. Er hatte beide Arme um sie geschlungen. Sie war in vollem Lauf gegen ihn geprallt und merkte, dass er nur mühsam sein Gleichgewicht wahrte. Ein erleichtertes Aufschluchzen entrang sich ihr.
    » Duncan!«
    » Schsch! Ist ja gut! Was ist passiert? Haben die Schwarzen …«
    » Nein«, fiel sie ihm ins Wort. » Nein, nein, nein!« Dann schluchzte sie weiter, sie konnte nicht mehr aufhören. Er hielt sie umfangen und drückte ihren Kopf an seine Brust, bis sie nur noch vereinzelt schniefte und schließlich aufhörte zu weinen. Erschöpft ließ sie es zu, dass er sie an den Wegesrand führte, wo er sie niederzog, sodass sie sich hinsetzen und den Rücken gegen einen Baum lehnen konnte. Er hockte sich neben sie und legte den Arm um ihre Schultern.
    » Verdammt, Lizzie, was hast du hier draußen verloren?«
    Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und zog die Nase hoch.
    » Dasselbe könnte ich dich fragen.«
    » Ich hab dich schreien gehört.«
    » Woher wusstest du, dass ich es war?«
    » Ich wusste es nicht«, räumte er ein. » Erst, als ich dich vorhin sah.«
    » Warum bist du überhaupt schon hier? Die Versammlung ist erst morgen.«
    » Vielleicht wollte ich dich ja vorher noch sehen.«
    » Du lügst.«
    » Das kannst du nicht wissen.«
    Sie gab keine Antwort darauf. In der Dunkelheit vor ihnen tauchten flimmernde, schwebende Punkte auf, wie Sterne, die zur Erde herabgesunken waren. Tanzende Glühwürmchen, die sich zum Paarungsreigen trafen. Über ihnen in der Krone des Baums zischte es, vielleicht eine Schlange. Elizabeth zog den Kopf ein und lehnte sich dichter an Duncan, der sie schützend an sich zog.
    » Keine Sorge, ich pass auf dich auf. Und jetzt erzähl mir, was los war.«
    » Keine Ahnung«, gab sie zu. Sie sträubte sich gegen den Zauber seiner Nähe. Sein warmer, starker Körper so dicht neben ihr hatte eine verheerende Wirkung auf sie, doch sie durfte seiner Anziehungskraft nicht abermals erliegen. » Ich konnte nicht schlafen, weil das Trommeln nicht aufhörte. Also bin ich aufgestanden und zu den Sklavenhütten gegangen. Dort sah ich die Schwarzen. Und bei ihnen stand Celia, die … Sie war seltsam. Es kam mir vor, als würde sie sich verwandeln, in jemand … anderen. Dann war der Spuk plötzlich vorbei, alle waren weg. Ich habe das Ganze wohl nur geträumt.«
    » Du meinst, du bist im Schlaf gewandelt? Wie ein Mondsüchtiger?«
    » Ja«, sagte sie erleichtert. » Es lag sicher am Vollmond!«
    Unwillkürlich schmiegte sie sich an ihn, rückte aber sogleich wieder von ihm ab. Sie durfte nicht immer wieder denselben Fehler begehen!
    » Bist du noch böse auf mich, Lizzie?«
    Sie dachte kurz nach.
    » Nein«, sagte sie schließlich.
    » Oh, gut. Trotzdem möchte ich dir sagen, dass es mir leidtut. Ich habe mich wie ein ehrloser Lump benommen. Anscheinend ist es mein Schicksal, dir immer wieder meine niedrigen Charakterseiten vorzuführen.«
    Sie spürte, dass es nur zum Teil ein Scherz war.
    » Hast du denn auch andere?«, erwiderte sie in ähnlich flapsigem Ton, doch auch diese Frage ging über einen bloßen Scherz hinaus. Duncan schien es zu spüren, denn seine Antwort klang ernst.
    » Man sagt viele schlechte Dinge über mich«, erklärte er. » Ich sei ein gemeiner Pirat und Mörder, ein skrupelloser Abenteurer und Geschäftemacher, der allein auf seine Vorteile aus ist. Ein Mann ohne Moral und Gewissen.«
    » Stimmt es denn etwa nicht?«
    » Zum Teil sicher. Menschen sind durch meine eigene Hand gestorben, aber es war immer in einem Kampf. Ein Pirat bin ich zweifelsohne, ich raube anderen Menschen ihr Schiff und ihre Habe und setze sie auf offener See aus. Sofern sie deshalb gestorben sind, bin ich wohl ihr Mörder. Daran kann der Kaperbrief kaum etwas ändern. Am zutreffendsten ist gewiss der Vorwurf der Geschäftemacherei, denn die ist mittlerweile zu meiner Haupteinnahmequelle geworden. Das letzte Schiff habe ich vor anderthalb Jahren aufgebracht, und das auch nur, weil dessen Kapitän als

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