Inseln im Wind
jemand!«
Sofort stemmte er sich hoch und half ihr auf.
» Ist da wer?«
Es war die Stimme von William Noringham. Er führte eine Laterne mit sich, der flackernde Lichtschein schwankte hinter der nächsten Wegbiegung.
» Er darf uns nicht zusammen sehen«, flüsterte Elizabeth.
» Keine Sorge«, flüsterte Duncan zurück. Er beugte sich zu ihr und presste ihr hart die Lippen auf den Mund, bevor sie zurückweichen konnte. » Ich bin schon weg. Wir reden ein andermal.«
Sie verharrte lautlos mitten auf dem Weg, während Duncan sich in die Büsche schlug.
» Ich bin es nur, William«, rief Elizabeth. » Ich fürchte, ich habe mich verlaufen.«
William tauchte vor ihr auf, die schlanke Gestalt geisterhaft bleich in dem hellen Hemd, das Gesicht im Schein der Laterne besorgt und zugleich erleichtert.
» Elizabeth, um Himmels willen! Was tut Ihr nur hier draußen um diese nachtschlafende Zeit! Ich suche Euch schon die ganze Zeit. Felicity hat mich geweckt. Sie wurde wach und hat Euch vermisst.«
» Oh, wirklich? Hm, ich wollte mir nur in der Nachtluft ein wenig die Füße vertreten, doch dann bin ich vom Weg abgekommen. Gut, dass Ihr mich gefunden habt.«
» Das kann man wohl sagen. Man weiß nie, wer sich bei Nacht hier in der Nähe des Dschungels herumtreibt!«
Fürsorglich bot er ihr den Arm, damit sie sich einhaken konnte, und gemeinsam gingen sie zurück zum Haus.
23
H arold Dunmore stand auf Summer Hill im Schatten des wogenden Zuckerrohrs, das in langen, schnurgeraden Reihen wuchs, so weit das Auge reichte. Schwüle Hitze lag über dem Feld, und das Rascheln der hohen, schlanken Halme war wie das Atmen eines gewaltigen Lebewesens. Es seufzte und bewegte sich bei jedem Windstoß. Ein Stück entfernt arbeiteten die Sklaven, in gebückter Haltung die Macheten schwingend, rhythmisch eine Stange nach der anderen erntend, immer nur so dicht über dem Boden, dass bald neues Rohr für die nächste Ernte heranwachsen konnte.
Harold liebte den Geruch und die Geräusche im Zuckerrohrfeld. Oft war er den ganzen Tag draußen und half bei der Arbeit, und er war stolz darauf, dieselbe Menge ernten zu können wie die kräftigen Sklaven. Nicht so viel wie die besten, schließlich war er nicht mehr jung. Aber er hielt lange aus und konnte, wenn er Wert darauf legte, mit den meisten Schritt halten, vor allem mit dem verfluchten Irenpack, das sich, wo es nur ging, vor der Arbeit im Feld drücken wollte. Die Schwarzen waren eindeutig besser zu gebrauchen. Während die irischen Schuldknechte oft schon im ersten Dienstjahr wie die Fliegen an allerlei Krankheiten starben, hielten die Schwarzen den Belastungen des Klimas mühelos stand, weshalb er froh war, bei der letzten Versteigerung zehn wahre Prachtexemplare erstanden zu haben. Zu horrenden Preisen, aber sie waren ihr Geld allemal wert.
Prüfend musterte Harold die Sklaven von William Noringham. Allesamt gut im Futter, aber langsam. Wozu schneller arbeiten, wenn niemand mit der Peitsche dahinter stand? Es gab wohl einen Aufseher auf Summer Hill, aber der war fett und verweichlicht und hockte lieber mit seiner schwarzen Hure in seinem Blockhaus oder spielte seinen Mischlingsbälgern Lieder auf der Flöte vor. Das Gedudel schwebte über dem Feld und hielt die Schwarzen vom Arbeiten ab. Einige traten gar aus der Reihe und hüpften lachend im Takt der Musik. Unwillkürlich zuckte Harolds Hand an den Griff seiner Peitsche. Seine Finger lockerten sich nur zögernd – schließlich war das hier fremdes Eigentum.
Müßig schlenderte er weiter zur Zuckermühle, um die er Noringham glühend beneidete. Noch vor fünf Jahren hatten sie sich gemeinsam mit anderen Pflanzern eine Presse geteilt, bis Noringham sich die erste eigene Mühle angeschafft hatte. Notgedrungen hatte Harold nachgezogen, es ging nicht an, dass er sich mit weniger zufriedengab. Und nun hatte der Schweinehund schon wieder ein neues Mahlwerk in Betrieb genommen. Die Presse in der strohgedeckten Hütte war brandneu, erst vor ein paar Tagen angebracht, und es war sofort zu sehen, dass sie leicht doppelt so viel Zucker aus dem Rohr zog wie die auf Rainbow Falls. Die Zahnräder an den Walzen kündeten von hoher Präzision, und das Gleichmaß, mit dem der große Rundbalken in der Mitte sich drehte, ließ den Vorgang des Pressens fast spielerisch wirken. Tatsächlich hatten die beiden Maultiere, die vor die hinausragenden Querbäume gespannt waren, nicht so schwer zu tun wie die Zugtiere auf Rainbow Falls, wo das
Weitere Kostenlose Bücher