Inselsommer
allein Bea zu entscheiden hatte, wer künftig Vero vertrat. Immerhin hatte Larissa inseriert, und es bewarben sich bestimmt viele, die weitaus qualifizierter waren als ich.
»Larissa hat gestern Abend gesagt dass sie sich insgeheim wünscht, du würdest den Job übernehmen. Auch wenn das an ein Wunder grenzen würde, immerhin seist du mit Leib und Seele Galeristin. Und eine Hamburger Großstadtpflanze.«
Mit Mühe unterdrückte ich einen Juchzer und begnügte mich, relativ nüchtern zu antworten:
»Na, wenn das so ist, sollten wir diese Entscheidung feiern.« Mein Herz klopfte wie wild, und ich überlegte bereits, wann ich den Großteil meiner Sachen aus der Hamburger Wohnung holen und hier einräumen würde.
»Ja, allerdings.« Bea nickte lächelnd. »Und dass der liebe Hinrich dem Tod noch mal von der Schippe gesprungen ist.«
Am Abend dieses bedeutsamen Tages fasste ich mir ein Herz und rief Patrick an. Natürlich fiel es mir schwer, ihm zu sagen, was ich vorhatte, denn jeder weitere Schritt bedeutete, dass wir uns immer mehr voneinander entfernten. Doch ich hatte das Gefühl, dass meine Entscheidung richtig war, egal, wie weh sie tat.
Als nach mehrmaligem Läuten der Anrufbeantworter ansprang und ich per Handy nur die Mailbox erreichte, versuchte ich es bei Doro. Die schwebte immer noch auf Wolke sieben, nachdem der Besuch bei Mats in Husum offenbar der Himmel auf Erden gewesen war. Da ihre Kinder gerade nicht zu Hause waren, konnte sie ungestört sprechen, und ich freute mich, dass es ihr offenbar gutging.
»Und Thomas hat immer noch keine Ahnung?«, fragte ich mit großer Verwunderung. Vielleicht hatten ja Frauen bessere Antennen …
»Falls er überhaupt etwas mitbekommt, dann nur das, was ich angeblich wieder mal falsch gemacht habe. Dem Mann kann man es momentan einfach nicht recht machen. Aber weißt du was? Das ist mir alles herzlich egal. Wenn ich sauer auf ihn bin, rufe ich bei Mats an, und der Tag ist wieder mein Freund. Aber was ist mit dir? Du warst in den letzten Tagen wie vom Erdboden verschluckt. Ich hätte dich heute auch noch angerufen. Übrigens soll ich dir von Helen ausrichten, dass du eine treulose Tomate bist und dich in Hamburg nicht mehr blicken zu lassen brauchst, es sei denn, du schmeißt eine Entschuldigungsparty für uns drei.«
Der Gedanke an meine beiden Freundinnen versetzte mir einen Stich. Doro und Helen fehlten mir. Doch daran ließ sich momentan leider nichts ändern, und es war an der Zeit, Doro zu erzählen, was ich vorhatte.
»Was Hamburg betrifft: Bei deinem Besuch hast du doch gesagt, dass es ein absoluter Traum sein müsste, auf Sylt zu leben. Nun … ganz so abwegig ist dieser Traum nicht mehr … zumindest nicht für mich …«
Ich konnte förmlich hören, wie Doro am anderen Ende der Leitung die Luft anhielt. Und sie brauchte einen Augenblick, bevor sie antwortete.
»Wie … wie meinst du das? Willst du dort eine Galerie aufmachen? Hast du einen Antrag von einem Immobilienhai bekommen, der sein Imperium mit dir als Frau an seiner Seite schmücken möchte?«
Der zweite Teil des Satzes war so typisch Doro, dass ich lachen musste. Doch dann erzählte ich ihr von Hinrichs Infarkt, Veros Situation und dass ich in Zukunft den Kochlöffel in der Küche des Büchernests schwingen würde.
Und wieder war es einen Moment still in der Leitung.
Kein Wunder, diese Nachricht hatte es in sich und war genauso brisant wie Doros Affäre.
Doch Doro war nicht umsonst meine beste Freundin.
»Aber das ist ja wundervoll«, kreischte sie so laut in den Hörer, dass ich ihn instinktiv von meinem Ohr weghielt. »Du bist eine wirklich gute Köchin, die Insel ist wunderschön, und ein Ortswechsel ist genau das Richtige für dich. Congratulations! Und das mit der Galerie wuppst du locker nebenbei. Wie ich Jule kenne, scharrt sie schon längst mit den Hufen. Arbeitet Vincent eigentlich noch dort, nachdem du ihm gesagt hast, dass ihr keine gemeinsame Zukunft habt?«
Vincents Name versetzte mir erneut einen Stich.
Wenn ich mit Jule telefonierte, vermied ich es bewusst, über ihn zu sprechen. Wenn er an den Apparat ging, legte ich auf. Aus diesem Grund hielt ich schon seit einiger Zeit die Nummer auf meinem Handy unterdrückt.
Ich ging nicht weiter auf Doros Frage ein, sondern erkundigte mich nach den Kindern und wann sie Mats wiedersah.
»Wenn es nach uns beiden ginge, besser heute als morgen. Das Dumme ist nur, dass mir allmählich wirklich die Ausreden ausgehen und
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