Inselsommer
dass ich mit meiner neuen Freundin nun mehr Zeit verbringen konnte.
Nachdem ich mir einen Coffee to go geholt hatte, bestieg ich die Fähre Richtung Finkenwerder. Ich wollte am Museumshafen entlangbummeln und noch einmal vom Strandkiosk aus auf die Elbe schauen, bevor ich mich auf den Weg Richtung Niebüll machte. Von dort aus fuhr der letzte Autozug nach Westerland um 22.05 Uhr . Kaum war ich ein paar Meter über den Sandstrand gegangen, wurde mir auf einmal so schwindelig, dass ich Angst hatte, ohnmächtig zu werden.
Was tat ich eigentlich hier?
Was war aus der Paula geworden, die sich gewünscht hatte, ein Leben an Patricks Seite zu verbringen, obwohl sie mit ihm keine Familie gründen konnte?
Erschöpft ließ ich mich in den Sand fallen, in der Hoffnung, dass dieser Schwindel schnell wieder verschwand, wenn ich saß. Ich zwang mich, ruhig zu bleiben, tief ein- und auszuatmen und an etwas Schönes zu denken. Als das alles nichts half, nahm ich den iPod aus meiner Handtasche, auf den ich mir die CD
Inselsommer
geladen hatte. Vielleicht würde die meditative Musik meine Nerven etwas beruhigen.
Hierherzukommen war ein riesiger Fehler gewesen!
Während sich Meeresrauschen, Panflöte und melodiöse Vogelstimmen zu einem sanften Klangteppich mischten, beobachtete ich einen ungefähr sechzehn Jahre alten Jungen, der mit einem struppigen Mischlingshund spielte und Stöckchen warf. Der Junge hatte offensichtlich ebenso viel Spaß wie der Hund, der aufgeregt schwanzwedelnd hin und her sprang, um seinem Herrchen immer wieder stolz das Stöckchen vor die Füße zu legen. Froh über diese Ablenkung lächelte ich still in mich hinein und schaute mich um. War der Junge allein unterwegs? Offenbar nicht, denn eine attraktive Frau ging auf ihn zu, Arm in Arm mit einem nicht minder gutaussehenden Mann. Eine sympathische Familie, ein niedlicher Hund. Das perfekte Idyll, nachdem ich mich zeitlebens gesehnt hatte.
Doch die Freude über den Anblick dieser Bilderbuchszene endete jäh, als ich sah, wer der Mann war …
32 . Kapitel
I st das nicht ein herrlicher Abend?«, seufzte ich und rekelte mich wohlig auf der bequemen Liege auf Larissas Terrasse. Larissa saß rechts von mir in einem Korbsessel und hatte ihre nackten, gebräunten Beine auf das untere Ende der Liege gelegt. Nach einer wahrhaft köstlichen Paella, die wir gemeinsam gekocht hatten, ließen wir den Abend bei einem Glas Tempranillo ausklingen und schmusten ausgiebig mit Neles Katze Blairwitch.
»Ja, wunderbar«, bestätigte Larissa und knabberte gedankenverloren gesalzene Mandeln, die auf dem Beistelltischchen in einer Glasschale lagen. »Der Sylter Juni-Himmel ist mindestens genauso schön wie auf Mallorca.« Larissa war Freitagabend von einem einwöchigen Aufenthalt in Palma de Mallorca wiedergekommen, wo sie Leon besucht hatte. Am Montag ging der Alltag in der Buchhandlung wieder los, und wir genossen das restliche freie Wochenende.
»Wie geht es Leon? Hat er nette Kollegen, und macht ihm der Job immer noch Freude?«
»Alles bestens«, antwortete Larissa und nippte an ihrem Wein. »Er ist voll in seinem Element, bekommt viel Zuspruch und Lob und ist so gut gelaunt wie schon lange nicht mehr. Ich denke, es war die richtige Entscheidung, sich diese Chance nicht entgehen zu lassen.«
»Und wie fühlst du dich dabei?«, pirschte ich mich vorsichtig an das heikle Thema heran. Auch wenn Larissa sich nach anfänglichen Schwierigkeiten mit der neuen Situation arrangierte, bemerkte ich eine gewisse Unzufriedenheit an ihr, vor allem, wenn sie nicht abgelenkt war und zur Ruhe kam. Dann quälte es sie, dass sowohl ihre beste Freundin Nele als auch ihr Mann die Insel verlassen hatten.
»Ich überlege, ebenfalls nach Mallorca zu gehen«, sagte Larissa mit einem Mal so leise, als hätte sie Angst, ihre Wünsche und Träume laut auszusprechen, weil sie sie dann ernst nehmen musste.
»Bestimmt würden sich viele Touristen und Residenten freuen, wenn es in Palma eine Buchhandlung gäbe, die deutschsprachige Bücher und Presse führt.«
Es dauerte einen Augenblick, bis ich die volle Tragweite ihrer Aussage begriff. Larissa dachte offenbar ernsthaft daran, Sylt zu verlassen.
Aber was sollte dann aus dem Büchernest werden?
»Kann es sein, dass du gerade überlegst, was Bea dazu sagen wird?«, wollte Larissa wissen und lächelte schelmisch.
»Kann es sein, dass du mich mittlerweile schon sehr gut kennst?«, erwiderte ich halb belustigt, halb gerührt. »Aber mal im
Weitere Kostenlose Bücher