Inselsommer
Ärmel ihres Sweatshirts. Bea warf Ina noch einen giftigen Blick zu, bevor sie mir folgte. Kaum waren wir draußen, schimpfte sie weiter:
»Diese Frau ist doch nie im Leben Yoga-Anfängerin. Die macht das unter Garantie schon seit Jahren.«
Irritiert über die vollkommen neue Facette in Beas Charakter dachte ich über ihre Vermutung nach, die in meinen Augen keinen Sinn ergab.
»Aber weshalb sollte sie so etwas behaupten?«, fragte ich verwirrt, als wir den Weg zum Kapitänshaus einschlugen, wo wir zusammen mit Vero und Larissa Kaffee trinken und Himbeertorte essen wollten. Vero war mal wieder im Backrausch gewesen.
»Hast du Tomaten auf den Augen?«, kam es wie aus der Pistole geschossen. »Die ist verknallt in Adalbert und macht auf ›Guck mal, wie toll ich bin, obwohl ich das noch nie zuvor gemacht habe!‹ Dabei will sie sich bei ihm nur einschl… äh, einschmeicheln.«
»Du bist doch nicht etwa eifersüchtig?«, fragte ich belustigt.
»Eifersüchtig, pah!«, empörte sich Bea, blieb stehen und stemmte die Hände in die Hüften. »Was für ein Unsinn! Du weißt, dass Adalbert und mich eine langjährige Freundschaft verbindet und nichts weiter.«
»Dann dürfte es dir ja nichts ausmachen, wenn Ina ihn ein wenig anhimmelt. Freu dich doch für deinen guten Kumpel, und lass ihn ein bisschen flirten. Im Übrigen kann ich Ina gut verstehen. Adalbert ist ein attraktiver und interessanter Herr im besten Alter. Kein Wunder, dass sie auf ihn fliegt.«
»Wer fliegt auf wen?«, fragte Vero neugierig, die uns an der Eingangstür des Kapitänshauses erwartete.
»Keiner«, entgegnete Bea barsch und ging an ihrer Freundin vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen.
Vero sah mich verwirrt an. Ich zuckte die Schultern, nahm ihr die Tortenschale ab und rief:
»Ich stelle den Kuchen mal eben kurz in den Kühlschrank!«
Innerlich jubelte ich vor Freude. Bea konnte sagen, was sie wollte: Sie war selbst verliebt in Adalbert, ob sie es sich nun eingestehen wollte oder nicht.
Ich konnte es kaum erwarten, Larissa davon zu erzählen.
Oder machte mich das zu einer Tratschtante?
Hatte ich mich mittlerweile auf Sylt so gut eingelebt, dass ich sogar Freude an Inselklatsch hatte?
»Was ist denn mit Bea los?«, fragte Vero, die mir in die Küche gefolgt war. Bevor ich antworten konnte, schlug sie auch schon Sahne.
»Ich weiß auch nicht«, schrie ich gegen das Getöse des elektrischen Rührgeräts an und stellte Teller, Tassen und Gläser auf ein Tablett.
»Hallihallo!«, rief Larissa fröhlich und nahm mir lächelnd das vollbeladene Tablett aus der Hand. »Du kannst gern Kaffee und Tee kochen, während ich draußen im Garten den Tisch decke.« Offenbar hatte ich, meiner Aufgabe beraubt, etwas verwirrt dreingeschaut.
»Wenigstens Lissy hat gute Laune«, bemerkte Vero und füllte die steifgeschlagene Sahne aus der Rührschüssel in eine tiefe Porzellanschale mit friesisch-blauem Muster.
»Wieso
wenigstens?
«, fragte ich empört. »Ich bin auch gut gelaunt, um nicht zu sagen, bestens. Die Yogastunde hat mir gutgetan, die Sonne scheint, wir vier machen uns einen gemütlichen Nachmittag, alles ist wunderbar.« Erstaunt stellte ich fest, dass es tatsächlich so war. Obwohl es eine Weile gedauert hatte, bis ich Abstand zu meinem Leben in Hamburg gewonnen hatte, und ich immer wieder an Patrick und die geheimnisvollen Briefe dachte. Wer war diese Frau, die ich zusammen mit ihm und dem Jungen an der Elbe gesehen hatte? Es gab Tage, da ertrug ich diesen Gedanken kaum, und ich war drauf und dran, ihn anzurufen – und es gab Tage, an denen ich loslassen konnte, und dachte:
Es ist so, wie es ist.
Das war Sinn und Zweck dieser Auszeit, und ich musste lernen, diesen Schmerz auszuhalten.
»So, jetzt aber nichts wie raus!«, sagte Vero energisch und schob mich zur Tür. Draußen hatte Larissa den Strandkorb in Richtung Sonne gestellt. Nur Bea und Vero zogen es vor, auf ihren Stühlen im Schatten zu sitzen.
»So ist das, wenn man älter wird«, erklärte Vero, nachdem Larissa und auch ich angeboten hatten, später mit den beiden die Plätze zu tauschen. »Man verträgt die Wärme nicht mehr so gut und verspürt auch keinen Drang, braun zu werden. Dir steht die Bräune allerdings richtig gut, Paula. Überhaupt siehst du viel besser aus.«
»Das liegt an der guten Luft und den netten Menschen hier«, meldete sich nun Bea zu Wort, die immer noch ein wenig grummelig aussah. »Auf dieser Insel
muss
man einfach aufblühen.«
»Wo wir gerade
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