Inselsommer
schafften wir es auch, in ferner Zukunft eine solche Basis aufzubauen, obwohl mir der bloße Gedanke, seiner Freundin gegenüberzusitzen, Magenschmerzen verursachte.
»Und? Wie ist es bei dir? Was hat dich hierhergeführt?«, fragte Sönke plötzlich, während ich die gegenüberliegende Wand anstarrte. Einen Moment lang war ich unfähig zu antworten.
Schlagartig hatte ich das Gefühl, dass ich sofort herausfinden musste, wer die Frau an der Elbe war. Die ganze Zeit hatte ich versucht, nicht daran zu denken, dass sie vielleicht schon längst die neue Freundin an Patricks Seite war. Doch Sönkes Erzählungen hatten mir klargemacht, dass es keinen anderen Weg gab, als ehrlich zueinander zu sein. Ich wollte endlich Gewissheit, welche Rolle die Unbekannte in Patricks Leben spielte, egal, wie sehr diese Wahrheit schmerzte. Und um das herauszufinden, musste ich so schnell wie möglich nach Hause.
»Sei mir nicht böse, Sönke, aber lass uns lieber von etwas anderem sprechen. Wenn ich nur darüber nachdenke, bekomme ich schon Kopfschmerzen …« Sönke schaute mich besorgt an.
»Oh, das tut mir leid. Ich wollte nett mit dir zu Abend essen und dir nicht die Laune verderben. Wir können uns gern über etwas anderes unterhalten, wenn dein Kopf das besser verträgt. Ich kann dir aber auch gern ein Aspirin besorgen. Irgendjemand vom Personal hat bestimmt was.«
Ich winkte ab. Schließlich wollte ich nicht unhöflich sein.
»Nein, nein, lass nur. Es ist alles gut. Erzähl mir lieber was von deinem Inselleben und Sylt-Fly. Seit wann hast du eine eigene Maschine?«
38 . Kapitel
Lieber Patrick,
es ist seltsam, dir nach all der Zeit einen Brief zu schreiben, anstatt mit dir zu reden. Ich hoffe, es ist in Ordnung für dich, dass ich diesen Weg wähle, denn ich habe eine Frage an dich, deren Antwort mir am Herzen liegt …
Unschlüssig spielte ich mit meinem Kugelschreiber herum und rang nach Worten.
Was
genau wollte ich Patrick eigentlich schreiben?
Dass ich unsicher war? Durcheinander? Meine Fantasie die wildesten Blüten trieb? Oder dass mich ein unschönes Gefühl namens Eifersucht in den Klauen hatte, obwohl gerade
ich
kein Recht hatte, so zu empfinden. Immerhin hatte ich unsere Ehe ruiniert und musste nun in der Lage sein, mit den Konsequenzen zu leben. Vielleicht sollte ich ihn doch besser anrufen.
»Dir ist aber schon klar, dass er dir eventuell gar nicht antwortet«, sagte Larissa, nachdem ich sie nach meiner Yogastunde bei Adalbert zu einem sonntäglichen Spaziergang abgeholt hatte. Unser Weg führte uns, wie so häufig, Richtung Munkmarsch. Auch heute gingen wir wieder an den Austernfischern vorbei, die es sich in der Sonne auf einer Sandbank gemütlich gemacht hatten, hin und wieder zogen schattenspendende Wolken über sie hinweg.
»Ich weiß, ich weiß. Wenn Patrick mir nicht antwortet, kann ich auch nichts machen. Aber fragen musste ich ihn auf alle Fälle. Wie lange braucht die Post eigentlich von Sylt nach Hamburg?« Larissa blieb abrupt stehen und zog ihre Augenbrauen hoch.
»Na, was glaubst du wohl? Denkst du, wir verschicken hier alles mit Brieftauben?«
Beschämt schlug ich mir mit der Hand vor die Stirn.
»Oh, ich dumme Pute! Bitte entschuldige. Da kannst du mal sehen, wie sehr ich durch den Wind bin.«
Larissa lachte.
»Ja, das sehe ich. Aber das ist kein Grund, hier kleben zu bleiben. Komm, lass uns weitergehen. Ich bin von dem ganzen Herumstehen im Büchernest total eingerostet. Mach dir keine unnötigen Sorgen. Wenn Patrick der ist, für den ich ihn halte, meldet er sich trotzdem bei dir. Du wirst sehen, alles kommt in Ordnung.«
»Na ja, ich weiß nicht so recht«, widersprach ich. »Mein gestriges Date mit Sönke war nicht gerade der Knaller, was allerdings nicht an ihm lag, sondern an mir. Er sprach über das gute Verhältnis zu seiner Ex-Frau, und ich bekam plötzlich solche Kopfschmerzen, dass er mich noch vor dem Dessert nach Hause bringen musste.«
»Ach, wie doof, das tut mir leid«, sagte Larissa. »Aber wie war es denn? Habt ihr euch wenigstens sonst gut unterhalten?«
»Ja. Sönke ist sehr sympathisch und längst nicht so tough, wie er am Anfang mir gegenüber getan hat. Außerdem ist er ein richtiges Familientier, was man heutzutage nur noch selten findet. Kaum zu glauben, dass ein Mann wie er noch solo ist.«
»Aber vielleicht ja nicht mehr lange«, mutmaßte Larissa schmunzelnd.
»Falls du diesbezüglich eine spezielle Person im Auge hast, muss ich dich leider enttäuschen.
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